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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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Zu Theorie, Geschichte und Funktion des Rassismus 325<br />

sozialer Ungleichheit besteht. 20 Aus dieser Perspektive muss eine weit längere<br />

Geschichte des Rassismus angenommen werden, die nicht mit der Entstehung<br />

des Kapitalismus zusammenfällt, sondern sich durch die Epochen vorkapitalistischer<br />

Klassengesellschaften zieht.<br />

An dieser Stelle können nur einige wenige Hinweise auf vorkapitalistische Rassismen<br />

gegeben werden, die in der von Volkhard vertretenen Periodisierung keinen<br />

Platz finden. Einige Beispiele will ich erwähnen. Zahlreiche weitere ließen<br />

sich hinzufügen.<br />

So kann auf die Ereignisse rund um das geschichtsträchtige Jahr 1492 verwiesen<br />

werden. Diese historische Phase ist aus zwei Gründen besonders signifikant.<br />

Zunächst markiert 1492 bekanntermaßen die »Entdeckung« des amerikanischen<br />

Kontinentes und dessen BewohnerInnen. Die Existenz von »Indianern« warf<br />

knifflige Fragen auf, für die Eroberer wie für deren organische Intellektuelle in<br />

Europa. Dass es sich bei den BewohnerInnen Amerikas um Minderwertige handelte,<br />

stand in weiten Teilen dieser philosophischen, theologischen und praktisch-administrativen<br />

Debatten außer Frage. Unklar war, ob es sich bei ihnen<br />

überhaupt um Menschen handelte, die wie Europäer als Kinder Gottes gelten<br />

müssten, wie 1550 in der berühmten »Disputation von Valladolid« von Bartholomé<br />

de Las Casas vertreten, oder um »barbarische, unzivilisierte und unmenschliche«<br />

Wesen, wie ebendort dessen Gegenspieler, Juan Ginés de Sepulveda, argumentierte.<br />

21<br />

Im ersten Fall gälte es, die Heiden zu bekehren; im zweiten, sie zu bekriegen<br />

und zu versklaven. Entscheidend ist, dass diese Debatten zwar in einem theologischen<br />

Register ausgetragen wurden, die Kategorisierungen und Charakterisierungen<br />

aber zugleich auf die Essenz oder Natur der als »Indianer« konstruierten<br />

Menschengruppe abzielte. Auch wenn der Begriff der Rasse zu jenem Zeitpunkt<br />

noch keine Rolle spielte, handelte es sich dennoch um rassistische Ideologien, die<br />

die Versklavung und teilweise Ausrottung der indigenen Bevölkerungen Amerikas<br />

begleiteten. 22<br />

1492 ist aber noch aus einem zweiten Grund relevant. In diesem Jahr wurde<br />

die katholische Rückeroberung der iberischen Halbinsel mit der Eroberung der<br />

maurischen Stadt Granada besiegelt. Im Zuge der Reconquista wurde ein System<br />

der »Blutreinheit« – limpieza de sangre – erfunden, das Juden und Jüdinnen auch<br />

dann, wenn sie, meist unter Zwang, zum Christentum konvertiert worden waren,<br />

20<br />

Hund, Wulf D. »Rassismus«, in: Sandkühler, Hans Jörg (Hg.): Enzyklopädie Philosophie, 2. erw.<br />

Aufl., Bd. 3, Hamburg 2010, S. 2191-2200, hier: S. 2191.<br />

21<br />

Zit. nach Buffington, Robert/Caimari, Lila (Hg.) Keen’s Latin American Civilization. History and Society,<br />

1492 to the Present, Boulder 2008, S. 86.<br />

22<br />

Delacampagne, Christian Die Geschichte des Rassismus, Düsseldorf 2005, S. 101ff.

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