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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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214 Das Potenzial der weiblichen Arbeiterklasse<br />

und wurden oft als »wilde Streiks« an den gewerkschaftlichen Führungen vorbei<br />

organisiert. Nicht selten standen Migranten und Frauen an der Spitze.<br />

Die sogenannten »Septemberstreiks« 1969 waren noch stark von deutschen<br />

Facharbeitern in den klassischen Industrien wie Stahl- und Bergbau getragen, obwohl<br />

auch schon damals Frauen als Migrantinnen in einzelnen bestreikten Betrieben<br />

eine wichtige Rolle spielten. 67 Bei den Streiks 1973, die auch als »Aufstand<br />

der Angelernten« in die Geschichte eingingen, standen die Migranten und Frauen<br />

stärker im Vordergrund. Industriearbeiterinnen bei AEG in Nürnberg, in den<br />

Deutschen Telefunken-Werken in Rendsburg und anderswo streikten für »Gleichen<br />

Lohn für gleiche Arbeit.« 68 Größere Bekanntheit erlangte ein Streik bei der<br />

Firma Pierburg, einem Autogerätebauer in Neuss (NRW). Über diesen berichtete<br />

eine sozialistische Broschüre:<br />

Während früher bei Pierburg Männer am Fließband standen, wurden bald Frauen<br />

für die gleiche Arbeit eingestellt, für zwei Drittel der Männer-Löhne. Da die Profite<br />

nicht groß genug sein konnten, wurden später vor allem ausländische Arbeiterinnen<br />

eingesetzt. Vierhundert Jugoslawinnen wurden direkt aus ihrem Heimatland herangeschafft.<br />

Sie wurden nach der niedrigsten Lohngruppe bezahlt. Sie waren in Baracken<br />

untergebracht und durften keinen Männerbesuch empfangen.<br />

Fünf Tage im August 73 streikten die Arbeiterinnen von Pierburg für eine Erhöhung<br />

der Stundenlöhne und die Abschaffung der Leichtlohngruppe 2. Die Arbeiter<br />

von Pierburg unterstützen sie, nachdem sie erkannt hatten, dass auch die Durchsetzung<br />

ihrer eigenen Forderungen voll und ganz von der Solidarität der Frauen abhängt.<br />

Der Streik erkämpfte den Wegfall der Lohngruppe 2 und eine Erhöhung von<br />

55 Pfennig für alle.<br />

Die Pierburg-Frauen sind eine wichtige Anregung für die Frauen überall. Ihr Streik<br />

erzeugte eine Welle von Sympathien. Der Pierburg-Boss musste auf ihre Interessen<br />

eingehen, weil sie einig und mutig für ihre Interessen eintraten. 69<br />

Der Aufstand der Angelernten und die spontanen Streiks jagten den Gewerkschaftsspitzen<br />

gehörig Angst ein und führten den gewerkschaftlichen Basisaktivisten<br />

neue Kräfte zu. Der DGB erklärte das Jahr 1972 zum »Jahr der weiblichen<br />

Arbeitnehmer« und legte ein Programm von 57 Forderungen für Arbeitnehmerinnen<br />

vor. 1975 kam es auf dem DGB-Bundeskongress zu einer Demonstration<br />

67<br />

Im westfälischen Lippstadt legten etwa Migrantinnen, die noch nach den Leichtlohngruppen der<br />

Metallindustrie bezahlt wurden, die Arbeit nieder und forderten »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit«.<br />

Weitgehend unbekannt ist es, dass es auch in Teilen des öffentlichen Dienstes wilde Streiks<br />

gab. So streikten zum Beispiel in Westberlin 19 Kindertagesstätten für kurze Zeit, um gegen die<br />

Überbelegung und niedrigen Löhne zu protestieren. Vgl. Birke, Wilde Streiks, S. 236f.<br />

68<br />

Ders. S. 297.<br />

69<br />

SAG-Frauenausschuss: Frauen wehren sich, Hannover/Frankfurt am Main 1976, S. 10.

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