05.11.2013 Aufrufe

MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Das Potenzial der weiblichen Arbeiterklasse 219<br />

dies zu ermöglichen, wurde ein flächendeckendes Kinderbetreuungsnetz aufgebaut.<br />

Die Ergebnisse dieser Entwicklung waren widersprüchlich. Die Erwerbstätigkeit<br />

brachte den Frauen eine deutliche größere Unabhängigkeit und Eigenständigkeit.<br />

Frauen drangen in einigen Bereichen in klassische Männerberufe vor, in<br />

den 1950/60er Jahren gab es einen enormen Qualifizierungsschub. Trotz dieser<br />

Fortschritte waren der »Gleichberechtigung« in der DDR aber deutliche Grenzen<br />

gesetzt.<br />

Denn Frauen arbeiteten meist in schlechter bezahlten Bereichen und bekamen<br />

in der Industrie oft die minderwertigen Tätigkeiten zugewiesen. Und ähnlich wie<br />

im westlichen Kapitalismus pflegte man ideologisch weiterhin das Bild der<br />

»Kleinfamilie«. Ein Großteil der Reproduktionsarbeit verblieb auf den Schultern<br />

der Frau. Von den wöchentlich 38 Stunden Hausarbeit, die die Familienmitglieder<br />

für den Haushalt aufbrachten, entfielen Mitte der 1980er Jahre auf die Frau<br />

fast 27 Stunden und damit 70 %. Der Historiker Stefan Wolle beschrieb den typischen<br />

Arbeitstag einer berufstätigen Mutter so:<br />

[U]m fünf Uhr morgens weckte sie die Kinder, machte sie für den Kindergarten<br />

oder die Schule fertig und brachte sie dorthin. Die Einrichtungen der Volksbildung<br />

hatten dafür einen speziellen Frühhort eingerichtet, wo man die Kinder schon ab<br />

sechs abgeben konnte. Dann ging es mit einer ungeheizten und überfüllten Straßenoder<br />

S-Bahn zur Arbeit. Nach Feierabend, also gegen 17 Uhr, holten die Mütter die<br />

übermüdeten und nervösen Kinder aus den »Einrichtungen« ab, erledigten auf dem<br />

Nachhauseweg die oft mit »Rennereien« und langem Anstehen verbundenen Einkäufe<br />

und hatten dann gerade noch Zeit für das Abendbrot. Nach dem »Sandmännchen«<br />

steckten sie die Kinder ins Bett und erledigten die wichtigsten Arbeiten im<br />

Haushalt. 80<br />

Die geschlechterspezifische Arbeitsteilung in der DDR führte zu ungleichen<br />

Löhnen. Nach der letzten Lohndatenerfassung der DDR aus dem Jahr 1988 bekamen<br />

Frauen insgesamt 16 % weniger Lohn als Männer. Trotz vergleichbarer<br />

Qualifikation arbeitete am Ende der DDR 57 % der Frauen in den unteren<br />

Lohngruppen 4 und 5, aber nur 22 % der Männer. In den Hochlohngruppen 7<br />

und 8 waren nur 14 % Frauen aber 43 % der Männer zu finden (Klenke 2008 :<br />

110). 81<br />

Die höhere Erwerbstätigkeit der Frau in der DDR besaß so einen zwiespältigen<br />

Charakter. Einerseits zog sie eine größere finanzielle Eigenständigkeit und<br />

Unabhängigkeit der Frau nach sich. Anderseits blieb ihnen durch die Doppelbelastung<br />

mit der Familie und eine rein aus ökonomischen Gesichtspunkten erfolgte<br />

Einbeziehung in die Erwerbstätigkeit eine wirkliche Gleichberechtigung ver-<br />

80<br />

Zitiert aus Klenke, Kampfauftrag, S. 109.<br />

81<br />

Klenke, Kampfauftrag, S. 110.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!