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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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218 Das Potenzial der weiblichen Arbeiterklasse<br />

Ideen bemerkbar. Oft hatten sich Frauengruppen neu gegründet. Durch Quotenregelungen<br />

begannen Frauen seit den 1980er Jahren in gewerkschaftlichen<br />

Gremien eine stärkere Repräsentanz zu erhalten. Doch in den gewerkschaftlichen<br />

Auseinandersetzungen, die meist Abwehrkämpfe in männlich dominierten<br />

Branchen waren, spielten sie weiter oft nur eine geringe Rolle. Eine bedeutsame<br />

Ausnahme bildete der zehnwöchige Streik der Westberliner Erzieherinnen<br />

1989/90 für einen Mindestpersonalschlüssel und eine Aufwertung des Erzieherberufes.<br />

Es war einer der längsten Arbeitskämpfe in der Nachkriegsgeschichte. 77<br />

Die Grenzen der weiblichen Erwerbstätigkeit in der DDR<br />

Die Frauenerwerbstätigkeit im östlichen Teil Deutschlands, der Deutschen Demokratischen<br />

Republik (DDR), griff deutlich weiter aus als in Westdeutschland,<br />

war aber dennoch von einer Gleichstellung weit entfernt. Am deutlichsten wurde<br />

dies mit Blick auf die führende Riege der herrschenden Partei, die vierzig Jahre<br />

lang fast ausschließlich aus Männern bestand. Aber auch die großen Industriekomplexe,<br />

die sogenannten Kombinate, wurden in aller Regel von Männern geführt.<br />

Die Machthaber der Staatspartei SED gaben vor, im Namen der Arbeiterklasse<br />

zu regieren. Tatsächlich benutzten sie jedoch nur sozialistische Floskeln, um ihre<br />

Herrschaft ideologisch zu rechtfertigen. In der DDR gab es weder freie Gewerkschaften<br />

noch ein Streikrecht, geschweige denn Arbeitermacht. 78<br />

Die weibliche Erwerbstätigkeit entwickelte sich in der DDR rasant. In den späten<br />

1970er Jahren überstieg die Erwerbsquote der Frauen mit 78,0 % erstmals<br />

die der Männer mit 77,7 % und verblieb seitdem auf einem deutlich höheren Niveau.<br />

1950 hatte die weibliche Erwerbsquote noch bei 44,1 % gelegen, 1960 bei<br />

61,9 %. 79 Der Hintergrund war ein Arbeitskräftemangel, denn bis zum Mauerbau<br />

1961 verließen über zwei Millionen Menschen die DDR. So war das System gezwungen,<br />

die Frauen fast vollständig in den Arbeitsprozess einzubeziehen. Um<br />

77<br />

Der Streik stand in Konfrontation zum damaligen rot-grünen Senat in Berlin und verhärtete sich<br />

zunehmend. Er endete in einer Niederlage. Die Gewerkschaftsführungen von ÖTV und GEW<br />

setzten den Streik nach zehn Wochen aus, obwohl die Stimmung für eine Fortsetzung stand. In<br />

der neunten Woche hatten in einer geheimen Abstimmung in Neukölln von 500 Erzieherinnen<br />

nur 15 für einen Abbruch des Streiks gestimmt. (Tagesspiegel 15.04.2002 »Am meisten litten die<br />

Eltern«). Dennoch war der Streik ein Achtungszeichen.<br />

78<br />

Die DDR als auch die anderen Ostblockstaaten lassen sich als staatskapitalistisch bezeichnen.<br />

Die kleine Führungsgruppe einer Staatspartei kontrollierte die nationale Wirtschaft, die im Weltkapitalismus<br />

in Konkurrenz zur den westlichen Ländern stand. Der Staatskapitalismus war eine<br />

historisch besondere Erscheinung, der in späten 1920er/frühen 1930er Jahren aus dem Scheitern<br />

der vormals erfolgreichen russischen Revolution 1917 entstand, vgl. Tony Cliff – Staatskapitalismus<br />

in Rußland, Sozialistische Arbeitergruppe Frankfurt 1975.<br />

79<br />

Klenke, Olaf: Kampfauftrag Mikrochip: Rationalisierung und sozialer Konflikt im »Staatssozialismus«<br />

der DDR, Hamburg 2008, S. 106.

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