MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013
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76 Strategien gewerkschaftlicher Erneuerung<br />
von außen braucht, um Beschäftigte zu mobilisieren. Außerdem verspricht die<br />
Auseinandersetzung um die Kündigung des Manteltarifvertrages durch die Arbeitgeber<br />
eine sehr langfristige Auseinandersetzung zu werden, wo systematisch<br />
auch Kräfte von außen in eine Solidaritätskampagne integriert werden können.<br />
Eine regionale Vernetzung von kämpferischen Gewerkschaftern ist sicher keine<br />
neue Idee. Aber vielleicht hat sie durch die ständig steigende Anzahl von Arbeitskämpfen,<br />
das wachsende Bedürfnis betrieblicher Aktiver und konfliktorientierter<br />
Gewerkschaftssekretäre nach gemeinsamem Lernen in Kämpfen und konkreter<br />
Solidarität und die Existenz von linken, meist jungen aktivistischen Milieus<br />
69 , die sich wieder für Gewerkschaftskämpfe interessieren, eine neue Grundlage<br />
erhalten, tatsächlich mit Leben gefüllt zu werden.<br />
Ein zweiter Impuls könnte darin bestehen, dass sich, ähnlich wie dies in den<br />
1970er Jahren passierte, kämpferische KollegInnen in ihren jeweiligen Branchen<br />
vernetzen. Denn, da die Tarifpolitik für eine Branche auf Landes- oder Bundesebene<br />
koordiniert und in Tarifkommissionen diskutiert wird, ist es logisch, dass<br />
auf dieser Ebene eine Vernetzung sinnvoll erscheint. Gerade auch, wenn neue,<br />
etwa qualitative Forderungen aufgestellt werden sollen muss dies in den entsprechenden<br />
Gremien beschlossen werden. Gerade auf solchen Funktionärstagungen<br />
sind die Hauptamtlichen meist mit einem ungeheuren Informationsvorsprung<br />
und Gestaltungshoheit ausgestattet. Selbst wenn es eine demokratische<br />
Öffnung gibt, wie etwa, als für den Streik der Erzieherinnen im Jahr 2009 eine<br />
bundesweite Streik-Delegiertenversammlung eingeführt wurde, weil die bestehende<br />
Tarifkommission keine Erzieherinnen repräsentierte, bedeutet dies nicht,<br />
dass etwa in den Versammlungen entsprechend den Vorgaben der Basis abgestimmt<br />
wird. So konnte Frank Bsirske mit seinem Auftritt viele Streikdelegierte<br />
für einen Abbruch des Streiks gewinnen, obwohl sie teilweise zuvor in ihren Basis-Gliederungen<br />
für eine Fortsetzung des Streiks gestimmt hatten. Dies zeigt an,<br />
dass einer Vernetzung auch eine strategische Diskussion vorangegangen sein<br />
muss. Zweitens sind die Zusammensetzungen der Tarifkommissionen selbst oft<br />
von den freigestellten Betriebsräten dominiert. In den 1970er Jahren wurde es<br />
dann spannend, als es erstens starke betriebliche Kerne gab, die nach den spontanen<br />
Streikwellen sich in den Vertrauensleutekörpern organisierten und selbst aktionsfähig<br />
waren und dann in den darauffolgenden Betriebsratswahlen die Betriebsräte<br />
eroberten. An der Charité in Berlin, aber auch in vielen der Organizing-Projekte<br />
war dementsprechend die Neuzusammensetzung des Betriebsrates<br />
mit kämpferischen KollegInnen, die aus dem Organizing oder dem Streik zuvor<br />
69<br />
Sowohl in den Komitee für Emely, dem Solikomitee für den CFM-Streik in Berlin, für das Organizing-Projekt<br />
im Flughafen Berlin als auch die starke Präsenz nicht-gewerkschaftlich organisierter<br />
Studierender auf der Konferenz »Erneuerung durch Streik« bezeugen die Existenz dieser aktivistischen<br />
Milieus.