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MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013

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Der aufhaltsame Abstieg 19<br />

rische Basisbewegung – sie könnte ihnen gefährlich werden. Nicht zufällig<br />

kommt es in der IG Chemie-Papier-Keramik und IG BSE Anfang der achtziger<br />

Jahre zur Ausschaltung linker Bezirke und Funktionäre, die den neuen Kurs der<br />

offenen Kapitulation in der Tarifpolitik nicht mittragen wollten und deshalb –<br />

wie Herbert Knapp – in immer schärferen Gegensatz zur Führung gerieten. Die<br />

einsetzende Resignation in den Betrieben, der Rückzug einst kämpferischer Arbeitergruppen<br />

in die Überwinterung, gab den Vorständen Auftrieb, oppositionelle<br />

Kräfte in den Gewerkschaftsapparaten, aber vor allem in den Betrieben zurückzudrängen.<br />

Sie zogen sich zurück, passten sich an oder wurden mundtot gemacht.<br />

Beschäftigungssicherung gegen Lohnabbau<br />

Die Verbetrieblichung der Tarifpolitik blieb nicht bei der Arbeitszeit stehen. 1993<br />

kam es in der ostdeutschen Metallindustrie zu einem Tarifvertrag, der eine so genannte<br />

Härtefallklausel für gefährdete Betriebe vorsah. Damit wurde erstmals die<br />

Unterschreitung des Tariflohns durch Betriebsvereinbarung (bei notwendiger<br />

Zustimmung der IG Metall) beschlossen. Im ersten halben Jahr kam es in 75 von<br />

800 Metallbetrieben zu solchen Härtefallvereinbarungen. Die grundsätzliche Bedeutung<br />

dieser Vereinbarung war die erstmalige Anerkennung einer einzelbetrieblichen<br />

Sicht. Die Durchsetzung einheitlicher Mindeststandards für Löhne<br />

und Arbeitszeiten für bestimmte Berufsgruppen, Arbeitszweige und Regionen<br />

und die damit erzielte Verringerung der Konkurrenz untereinander war aber von<br />

Beginn an das Wesen der Gewerkschaftsbewegung. Die Gewerkschaften standen<br />

in Deutschland nach der Vereinigung von 1990 vor der großen Herausforderung,<br />

die Verschärfung der Konkurrenz durch ostdeutsche Niedriglöhne möglichst<br />

rasch zu beseitigen. Es wird in normalen Zeiten und besonders in Krisenphasen<br />

immer Einzelbetriebe geben, die sich solche Mindeststandards nicht »leisten«<br />

können, und es ist das Prinzip des Gewerkschaftsgedankens, solche »Schmutzkonkurrenz«<br />

durch besonders niedrige Löhne nicht zuzulassen. Die Aufgabe dieses<br />

Prinzips bedroht das Existenzprinzip von Gewerkschaften. Die weitere Entwicklung<br />

hat gezeigt, welche verheerende Auswirkung die Zulassung solcher Öffnungsklauseln<br />

im Tarifvertrag hat. Damit war das Argument etabliert, dass niedrigere<br />

Löhne Arbeitsplätze sichern helfen, ein Argument, das der betriebswirtschaftlichen<br />

Sichtweise konkurrierender Einzelunternehmen entspricht. 1995 bot<br />

die IG Metall-Führung moderate Lohnpolitik als Gegenleistung für Beschäftigungsaufbau<br />

und Verzicht auf Sozialabbau an. 28 Ende 1996 wurde auch in den<br />

28<br />

Bahnmüller, Reinhard/Bispinck, Reinhard/ Weiler, Anni: »Tarifpolitik und Lohnpolitik in<br />

Deutschland, WSI-Diskussionspapier Nr. 79, 1999. Die Autoren formulieren darin, wie das Ost-<br />

West-Gefälle die tarifpolitische Entwicklung in ganz Deutschland beeinflusste: »Der Konflikt<br />

um das Tempo der Tarifangleichung an das westdeutsche Niveau führten zur Aufnahme von

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