MARXISMUS & GEWERKSCHAFTEN - MARX IS MUSS 2013
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Die Arbeiterklasse heute 137<br />
ein wesentlich höheres Einkommen erhalten, als es dem Wert ihrer Arbeitskraft<br />
entspräche oder sogar als den Wert, den ihre Arbeitskraft schaffen würde, wenn<br />
sie im produktiven Bereich der verarbeitenden Industrie eingesetzt würden. So<br />
können sie sogar an der Ausbeutung der Lohnarbeit teilhaben.<br />
Das bedeutet nicht, dass die neue Mittelklasse sich automatisch mit dem Kapital<br />
identifiziert. Wie das alte Kleinbürgertum von Kleinbesitzern und selbstständigen<br />
Professionen befindet sich die neue Mittelklasse in einer widersprüchlichen<br />
Lage. Sie nimmt eine untergeordnete, abhängige Stellung im System ein. Besonders<br />
in Krisenzeiten besteht für die Mitglieder der neue Mittelklasse das Risiko,<br />
vom Kapital ins soziale Nichts gestürzt zu werden. (Das alte, »besitzende« Kleinbürgertum<br />
riskierte den Bankrott, die neue Mittelklasse den Abstieg durch Verlust<br />
gesellschaftlicher Anerkennung und Privilegien.)<br />
Zugleich gewinnt sie beträchtliche Privilegien, indem sie der herrschenden<br />
Klasse beisteht, die Arbeiterklasse zu kontrollieren und auszubeuten. (Das Kleinbürgertum<br />
beutete teilweise seine eigenen Beschäftigten aus, die neue Mittelklasse,<br />
indem sie hohe Gehälter dadurch »verdient«, dass sie die Notwendigkeiten der<br />
Kapitalakkumulation gegenüber den Lohnarbeitern durchzusetzen hilft.)<br />
Die Grenzen der neuen Mittelklasse können weder nach oben noch nach unten<br />
scharf gezogen werden. Nach oben geht sie in die Klasse der Kapitalisten<br />
über, nach unten in die der Lohnarbeiter. Insofern ist sie wie das alte Kleinbürgertum<br />
keine unabhängige Klasse, sondern eine, die sich hin- und hergedrückt<br />
sieht, je nachdem, woher der Druck kommt.<br />
Trotzdem ist es wichtig, Grenzen zu ziehen. Es macht keinen Sinn, eine Krankenschwester<br />
mit einem Bruttomonatsgehalt von 2.374 Euro (nach sechs<br />
Jahren!) zur neuen Mittelklasse zu zählen, nur weil sie eine Berufsausbildung<br />
(»Profession«) besitzt und »Angestellte« ist. Das gleiche gilt für den Fachlehrer einer<br />
allgemeinbildenden Schule, der mit einem Monatsgehalt von 3.897 Euro (6.<br />
Dienstaltersstufe) im Jahr <strong>2013</strong> nur 1.350 Euro mehr als ein Industriemechaniker<br />
(2.547 Euro) verdient.<br />
Eine sinnvolle Unterscheidung unternimmt das Statistische Bundesamt, welches<br />
aus Analysezwecken fünf »Leistungsgruppen« gebildet hat, um »eine grobe<br />
Abstufung der Arbeitnehmertätigkeiten nach dem Qualifikationsprofil des Arbeitsplatzes«<br />
darstellen zu können. 27 In der Leistungsgruppe 1 finden sich »Arbeitnehmer<br />
in leitender Stellung«. Sie machen 10,5 Prozent der Arbeitnehmer aus<br />
und bekommen monatlich durchschnittlich ein Bruttoverdienst von 6.525 Euro.<br />
Diese wären nicht der neuen Mittelklasse zuzuordnen, sondern die Leistungsgruppe<br />
2, die als »Herausgehobene Fachkräfte« beschrieben wird und folgendermaßen<br />
definiert wird:<br />
27<br />
Statistisches Bundesamt <strong>2013</strong>: Verdienste und Arbeitskosten. Arbeitnehmerverdienste, Fachserie<br />
16. Reihe 2.3, Jahr 2012, Wiesbaden: 279