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entworfen habe, das in den Grundzü gen mit dem Bauhaus-Manifest zu vergleichen sei,<br />

negierte allerdings die mit dem Sozialismus sympathisierende Grundhaltung der beteiligten<br />

Kü nstler. Der Arbeitsrat für Kunst spielte fü r Wingler nur insofern eine Rolle, als<br />

mit ihm belegt werden sollte, daßGropius im Zentrum der damals avantgardistischen<br />

Kunstströmungen in Berlin seine Anregungen erfahren hatte und nicht etwa im provinziellen<br />

Weimar, das immer noch von den „Reminiszenzen an die Goethe-Zeit“<br />

zehrte. 175 Dementsprechend unterblieb auch die Aufnahme eines Flugblattes, aus dem<br />

eindeutig vergleichbare Forderungen hätten entnommen werden können. 176<br />

Um die Entwicklungslinie von Gropius in Richtung „Kunst und Technik“ zu lenken,<br />

fü hrte Wingler Gottfried Sempers Aufsatz Wissenschaft, Industrie und Kunst an, in dem<br />

dieser bereits 1851 die Notwendigkeit eines Zusammenschlusses von Kunst und Industrie<br />

erkannt hatte. Um die Verbindung zwischen Gropius und Semper herzustellen,<br />

bemächtigte sich Wingler eines Kunstgriffes:<br />

„Sempers frü he theoretische Abhandlung war den Reformern des 20. Jahrhunderts<br />

– auch Gropius – kaum mehr bekannt. Die Ideen lagen nun sozusagen<br />

in der Luft, sie wurden nochmals erdacht und revidiert.“ 177<br />

Damit wurde die Bauhaus-Konzeption den zeitgenössischen Zusammenhängen enthoben<br />

und ihre Ursprü nge auf Erkenntnisse eines kollektiven Wissensschatzes zurü ckgefü<br />

hrt, welchen Gropius aufgegriffen habe. Sein politisches Engagement wurde auf<br />

ein Minimum reduziert, der Eindruck des Bauhauses als dezidiert unpolitisches Institut<br />

erneut belegt. Schließlich fü hrte diese Darstellung der Bauhaus-Geschichte dazu, daß<br />

in der Forschung deren Weimarer Zeit oft nicht wahrgenommen wurde, da man sich<br />

sofort dem „eigentlichen“ Bauhaus zuwenden wollte. Auf diese Weise wurden die Arbeitsergebnisse<br />

der ersten Phase in Weimar als zweitrangig eingestuft, weil nicht der<br />

„wahren“ Konzeption des Bauhauses entsprechend.<br />

Gropius selbst billigte diese Auslegung und bestärkte sie sogar, indem er noch 1969 in<br />

einem Interview erklärte, er habe bereits von Anfang an die Zusammenarbeit mit der<br />

Industrie als klares Ziel anvisiert. Um ü berhaupt mit der Arbeit beginnen zu können,<br />

55<br />

175<br />

176<br />

177<br />

Vgl. ebenda.<br />

Bruno Taut hatte beispielsweise in einem von ihm allein unterschriebenen Flugblatt des<br />

Arbeitsrates fü r Kunst gefordert: „Zusammenschlußder Kü nste unter den Flü geln einer<br />

großen Baukunst ist das Ziel. Fortan ist der Kü nstler allein als Gestalter des Volksempfindens<br />

verantwortlich fü r das sichtbare Gewand des neuen Staates. Er mußdie Formgebung<br />

bestimmen vom Stadtbild bis hinunter zur Mü nze und Briefmarke.“ – Zitiert nach Steneberg,<br />

Eberhard: Arbeitsrat fü r Kunst, Berlin 1918-1921. Dü sseldorf 1987, S. 29.<br />

Wingler, 1962, S. 24.

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