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Behandlung der Negative, bei der alle untergeordneten Details entfernt und so die Objekte<br />

„freigestellt“ werden, war in den fü nfziger und sechziger Jahren gängige Praxis<br />

und entsprach den allgemeinen Vorstellungen von adäquater Produktfotografie, wie sie<br />

zum Beispiel auch in der Werbung dieser Jahre eingesetzt wurde. Vom heutigen Stand<br />

aus konnte nicht mehr geklärt werden, ob diese Retuschen tatsächlich explizit beauftragt<br />

oder nicht vielmehr routinemäßig durchgefü hrt wurden. Es ist jedoch anzunehmen,<br />

daßWingler den Abdruck der retuschierten Abbildungen hätte verhindern können,<br />

wenn er dies gewollt hätte.<br />

Wie sehr sich der Autor der besonderen Ausdrucksmöglichkeiten der Retusche bewußt<br />

war, beweist die Gegenü berstellung retuschierter und unretuschierter Aufnahmen. So<br />

wurde beispielsweise unter der doppeldeutigen Ü berschrift Das Ende des Dessauer<br />

Bauhauses, die im Kontext die Situation von 1932 meinte, eine stark ü berarbeitete,<br />

geschönte Aufnahme des Bauhaus-Gebäudes abgebildet. Direkt darunter plazierte<br />

Wingler die Aufnahme des durch die Vermauerung der Glasvorhangfassade entstellten<br />

Bauhausgebäudes aus dem Winter 1958, die im Kontrast einen geradezu jämmerlichen<br />

Eindruck vermittelte. Auf diese Weise deutete Wingler an, daßbereits 1932 mit<br />

der Schließung des Dessauer Bauhauses durch die Nationalsozialisten der unaufhaltsame<br />

Verfall begonnen hatte, der bis in die sechziger Jahre hinein dauerte. Gleichzeitig<br />

wurde den Verantwortlichen in der DDR unterstellt, sie hätten ähnliche Motive wie<br />

die Nationalsozialisten gehabt, die Bedeutung des Bauhauses zu mißachten. 199<br />

Es wurden allerdings auch gänzlich unretuschierte Fotografien in der Monografie abgedruckt.<br />

Dabei handelte es sich allesamt um Aufnahmen, auf denen hauptsächlich<br />

oder ausschließlich Menschen abgebildet waren. Sie spiegelten das Leben am Bauhaus<br />

und die besondere Atmosphäre wider. Der Leser wurde auf diese Weise Augenzeuge<br />

des Geschehens am Bauhaus: Gerade durch unkonventionelle Blickwinkel und<br />

Bildausschnitte wurde ein besonders bewegtes und spontanes Leben suggeriert. Wie<br />

in einem Familienalbum konnten so die einzelnen Szenen am Bauhaus mittels Phantasie<br />

zu einem Gesamtereignis zusammengefü gt werden.<br />

Eine Vielzahl der Fotografien von Werkstatterzeugnissen und Bauhaus-Architektur war<br />

bereits in den Bauhausbü chern Neue Erzeugnisse der Bauhauswerkstä tten (1925) und<br />

199<br />

Wingler, 1962, S. 500. – Noch in der 1975 erschienenen Auflage wurde dieses Bildpaar<br />

unverändert abgebildet, obwohl das Bauhaus als Institut in der DDR mittlerweile positiv<br />

bewertet und das Bauhausgebäude rekonstruiert wurde.

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