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58<br />

Ideologie mit Erkenntnis und programmatischer Zielsetzung verwechselte.<br />

Meyers rigorose Ablehnung des ‚Formalismus’ von Gropius und Moholy-Nagy<br />

dü rfte zum großen Teil der Protest eines aus kleinbü rgerlichen Verhältnissen<br />

Kommenden gegen die neue kosmopolitische Umgebung gewesen sein. Das<br />

sozialistische Ideal eines praktischen Tuns in jedermanns Dienst wurde dem<br />

Postulat der höchstmöglichen Qualität entgegengesetzt. Meyers dialektische<br />

These mit wenigen Worten zu definieren, stößt auf das Problem, daßsie nicht<br />

eindeutig war.“ 188<br />

Eine solche Beschreibung läßt vermuten, daßWingler Meyer keineswegs jene ausgeprägte<br />

Persönlichkeit zubilligte, die zur Leitung eines Instituts wie dem Bauhaus vonnöten<br />

gewesen wäre. Stattdessen zeichnete er das Bild eines Unbedarften, der naiv<br />

und begeisterungsfähig die internationale Kunst-, Design- und Architektenszene bestaunte,<br />

wie sie sich am Bauhaus manifestiert hatte. Diese abschätzige Bewertung<br />

fand sich auch im <strong>Dokument</strong>enteil der Monografie, wo Meyers programmatischer Aufsatz<br />

bauen von 1926 aufgenommen worden war, um seine theoretischen Grundsätze<br />

zu verdeutlichen. Anstatt auf die Ursprü nge oder den Hintergrund dieses Manifestes<br />

hinzuweisen, gab Wingler seine ansonsten zurü ckhaltende Position in der Kommentierung<br />

der Quellen zugunsten einer eindeutig negativen Bewertung auf:<br />

„Die skurrile Ü berspitzung, in der Meyer seine Thesen vorträgt, verdeutlicht<br />

mit seinen besonderen Qualitäten zugleich die Schwäche, die in der Leugnung<br />

des Ästhetischen [...] und in der Reduktion auf das Praktisch-Funktionelle<br />

lag.“ 189<br />

Wann immer Wingler also keine politische Motivation unterstellen konnte, griff er auf<br />

vermeintliche charakterliche Schwächen zurü ck, die Meyers Ansichten und Theorien<br />

ins Lächerliche ziehen sollten.<br />

In Bezug auf die Darstellung des zweiten Bauhaus-Direktors hü tete sich Wingler davor,<br />

mit einseitiger Polemik zu operieren. Vordergrü ndige Angriffe auf Meyer wären indirekt<br />

auf Gropius zurü ckgefallen, der ihn schließlich zu seinem Nachfolger bestimmt hatte.<br />

Trotzdem wußte Wingler seine vorgefaßte Meinung ü ber Meyer sehr geschickt implizit<br />

einzuflechten. Da in der Bewertung der fachlichen Errungenschaften hinsichtlich des<br />

Bauhaus-Unterrichts keine Abstriche gemacht werden konnten, beschränkte er sich<br />

abermals auf die bewährte Strategie, Seitenhiebe zu Meyers charakterlichen Eigenschaften<br />

einzuflechten. Meyer war ohnehin bereits als Marxist gebrandmarkt, so daß<br />

all seine Aktivitäten unter diesem Licht begutachtet wurden. Selbst Begriffe wie „Kollektivarbeit“<br />

oder an sich – insbesondere bezogen auf die zwanziger Jahre – unver-<br />

188<br />

189<br />

Ebenda, S. 18.<br />

Ebenda, S. 160.

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