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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Junifeste<br />

Eine prominent angebrachtes Spruchband kündigt<br />

es seit <strong>ein</strong>er Woche an. Am Samstag ist Junifest!<br />

Hier im Norden <strong>ein</strong> Großereignis. Seit früh<br />

morgens ist die schmale Hauptstraße gesperrt.<br />

Schon flattern quer über die Straße gespannt die<br />

vielen Reihen bunter Wimpel im Wind. Aber nur<br />

nach dem Einfallen der Nacht kommt so recht<br />

Betrieb auf. Die tagsüber hingestellten<br />

Eisenkonstruktionen bekommen Farbe,<br />

Holzkohlengrills werden angefacht, rechts <strong>und</strong><br />

links die Straße hoch bereiten sich die kl<strong>ein</strong>en<br />

Baracken auf den Ansturm vor. Handgeschriebene<br />

Speisekarten bieten die traditionellen<br />

Junifestspeisen an: Weißer Maisbrei, Liebesäpfel,<br />

Vatapá, Freilaufhühnchen <strong>und</strong> viele andere. Aber<br />

auch kl<strong>ein</strong>e Fleischspießchen, liebevoll<br />

Katzenbarbecue genannt <strong>und</strong> Tapiocas, sorgfältig<br />

<strong>ein</strong>zeln in Bananenblätter <strong>ein</strong>gerollt, dürfen nicht<br />

fehlen. Da, auf der kl<strong>ein</strong>en Bühne wird die<br />

Musikgruppe spielen. Sie spielt ausgezeichnet.<br />

Das ist bemerkenswert, denn ihre Mitglieder<br />

gehen die restliche Zeit des Jahres ganz normalen<br />

Berufen nach. Ein Teil des Asphalts füllt sich mit<br />

Tischen <strong>und</strong> Stühlen, der Rest bleibt frei. Hier<br />

werden verschiedene Gruppen tanzen.<br />

Ganz Brasilien feiert die Junifeste, <strong>ein</strong>e Tradition<br />

aus Portugal mitgebracht, heute auch deutlich<br />

modifiziert, modernisiert <strong>und</strong> adaptiert. Die Feste<br />

werden zu Ehren dreier Heiligen gefeiert, jeweils<br />

am Namenstag deselben. São António am 13. Juli,<br />

São João am 24. <strong>und</strong> São Pedro am 29. Juli. In<br />

manchen Städten oder Dörfern ist es nur die<br />

Nachbarschaft, die zusammen feiert, aber in<br />

anderen gibt es <strong>ein</strong>en richtigen Tanzwettbewerb<br />

mit Gewinnern, die von <strong>ein</strong>er Jury ausgesucht <strong>und</strong><br />

prämiert werden. Hier im Norden, wo sie sehr<br />

gerne <strong>und</strong> kompetent feiern, ist so <strong>ein</strong> Fest immer<br />

<strong>ein</strong> Erlebnis.<br />

Das ganze Dorf ist auf den Füßen. Viele Kinder sind<br />

kostümiert. Der Brauch will, dass die Junifeste<br />

bäuerliche Feste sind, Feste der Hinterwäldler. Die<br />

Mädchen tragen Affenschaukeln mit großen<br />

Maschen <strong>und</strong> Blumenkleider, die Jungen Schnauzbart<br />

mit Brauenstift aufgemalt, Karohemden <strong>und</strong><br />

<strong>ein</strong>fache Strohhüte. Die <strong>ein</strong>fallsreichen, raffiniert<br />

ironischen Kostümierungen der Tänzer <strong>und</strong><br />

Tänzerinnen aber überstrahlen alles. Noch sind die<br />

Röcke hochgeschürzt. Weit wie Räder werden ihre<br />

wallenden Säume bald den Asphalt wischen.<br />

Andere Gruppen setzen auf üppig Kniekurzes,<br />

gestärkt <strong>und</strong> tüllverstärkt stehen die Röckchen<br />

weit ab. Wichtig ist, dass die Kostümierung<br />

farbenfroh ist, reich bestickt <strong>und</strong> viele Volants,<br />

Rüschen oder Spitzen hat. Im Kontrast dazu die<br />

hautengen Tops oder Boleros, oft bauchfrei, auch<br />

die der Männer. Halb Hinterwäldler, halb barocke<br />

Disneyprinzessin oder Prinz, Knappen, ganz wie‘s<br />

beliebt, hauptsächlich schreiend, fröhlich,<br />

ausgelassen. Die Frauen tragen die Haare kunstvoll<br />

hochgesteckt, w<strong>und</strong>erbare Arrangements, Tiaras,<br />

Kronen. An Perlen, Glanz <strong>und</strong> Glitzer wird nicht<br />

gespart. Die Männer in den traditionellen kurzen<br />

Jacken über nackter Brust <strong>und</strong> Dreiviertelhosen.<br />

Auch die ursprünglichen Strohhüte dürfen nicht<br />

fehlen, natürlich auch überaus farbenfroh<br />

verziert. Das Kostüm der Tanzgruppe wird von<br />

der Jury neben der Tanzdarbietung mit beurteilt.<br />

Wer am meisten Aplaus, die verrückt-buntkitschigsten<br />

Kostüme <strong>und</strong> natürlich die beste<br />

Tanzdarbietung auf den Asphalt legt, gewinnt.<br />

Die Musik legt los, die komplizierte Choreografie<br />

sitzt, wogt hin <strong>und</strong> her, alle haben sie im Kopf,<br />

verinnerlicht bis in die Finger- <strong>und</strong> Zehenspitzen.<br />

Manche tanzen Carimbó andere <strong>ein</strong> paar von den<br />

traditionellen Junifestmelodien. Die Röcke<br />

fliegen, drehen <strong>und</strong> bauschen sich im sinnlichen<br />

Tanz. Auch die jungen Männer lassen sich nicht<br />

lumpen. Alle Tanzgruppen sind aus Laien<br />

zusammen gesetzt. Jeder kann mitmachen.<br />

Jüngere, Molligere, die meisten mit indigenen<br />

Zügen, alle mit viel Talent, Verve, Rhythmus. Im<br />

normalen Leben sind sie Maurer oder Elektriker,<br />

Bootsführer oder Verkäufer. Schau, da hat sich<br />

schon der obligate Straßenköter, n<strong>ein</strong>, diesmal<br />

ist es <strong>ein</strong>e Katze! zwischen die stampfenden<br />

B<strong>ein</strong>e verlaufen.<br />

Auch der Humor hat s<strong>ein</strong>en Platz. Dann nämlich,<br />

wenn die „Vaca Lusa“, die Lusitanische Kuh<br />

auftritt. Sie bringt <strong>ein</strong>e riesige Schar Kinder mit,<br />

alle kostümiert. Und nicht nur als traditionelle,<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 1004

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