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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Gehwege <strong>und</strong> Bürgersteige<br />

Erk<strong>und</strong>e sie alle, vorurteilslos <strong>und</strong> ohne jegliche<br />

Diskriminierung, die holprigen Gassen, schmalen<br />

Wege <strong>und</strong> steilen „Ladeiras“ genauso wie die<br />

prunkvollen Alleen <strong>und</strong> breiten „Avenidas“.<br />

Verwünsche, es gibt k<strong>ein</strong> Ausweichen, den<br />

lausigen Zustand der Bürgersteige. Hier löst sich<br />

der Belag, da fehlt er ganz, wohl <strong>ein</strong>e Art<br />

Gradmesser des Zustandes <strong>ein</strong>er Stadt, ihres<br />

Wohlstandes <strong>und</strong> politischen Willens <strong>und</strong><br />

Wohlwollens, aber auch <strong>ein</strong>e Zeitreise durch all<br />

die wechselhaften Zyklen, die die Stadt schon<br />

durchlaufen hat. St<strong>ein</strong> für St<strong>ein</strong>, Kiesel für Kiesel<br />

nimmt mich auf <strong>ein</strong>e Reise durch die<br />

verschiedensten Vergangenheiten mit.<br />

Was es nicht alles gibt: „Travessas“ (TV<br />

abgekürzt….) - Querstraßen, <strong>ein</strong>en „Largo da<br />

Misericórdia“, <strong>ein</strong>en Platz der Barmherzigkeit.<br />

Manche Städte haben <strong>ein</strong>e „Rua direita“ – <strong>ein</strong>e<br />

Rechte Straße, aber nie <strong>ein</strong>e linke. Be<strong>ein</strong>druckend<br />

die “Rua da boa morte“ – die Straße des guten<br />

Todes, so genannt nach <strong>ein</strong>em religiösen Orden,<br />

der nur schwarze Frauen aufnahm.<br />

Erobere die Städte, zu Fuß - ureuropäische<br />

Gewohnheiten legt man nicht so <strong>ein</strong>fach ab.<br />

Schlüpfe in die weichsten Turnschuhe, ignoriere<br />

Höchsttemperaturen oder Regenschauer, laufe<br />

los, bummle, gehe, wohin mich die Füße tragen,<br />

<strong>ein</strong> Stadtplan zur Hand, auch das <strong>ein</strong>e importiertanerzogene<br />

Gewohnheit. Vertraue mich der<br />

Neugier an, versuche unterwegs, welch<br />

hoffnungsloses Unterfangen, nicht zu viel Staub<br />

oder stinkende Abgase abzubekommen. Erforsche,<br />

lerne, von Schweißausbrüchen <strong>und</strong> der<br />

Langsamkeit begleitet, mit jedem Schritt etwas<br />

Neues, dringe mit neugierig-indiskretem Blick <strong>ein</strong>,<br />

will gar bis zur Seele dieses Ortes vordringen. Will<br />

den Zauber jenes Platzes, dieses Hauses<br />

entschlüsseln, Geheimnisse erfahren, hier <strong>ein</strong><br />

offensichtliches, sichtbares, da <strong>ein</strong> streng<br />

verborgenes.<br />

Die riesigen, klaren Blöcke hier, die seit drei, vier,<br />

wer weiß, gar fünf Jahrh<strong>und</strong>erten die Eingänge der<br />

majestätischen Kirchen säumen, ehemals<br />

großartige, heute verkommene Plätze pflastern.<br />

Wie viele Füße vor mir schleiften, hasteten,<br />

sprangen, glitten oder schlurften schon darüber?<br />

In europäischen Kalkst<strong>ein</strong>werken geschnitten,<br />

symbolisieren sie <strong>ein</strong>en sozusagen <strong>ein</strong>seitigen<br />

Handelsverkehr, denn sie wurden als r<strong>ein</strong>er Ballast<br />

im Bauch sonst halbleerer portugiesischer Schiffe<br />

übers Meer hergebracht. Die selben Schiffe, die<br />

dann vollbepackt mit Zucker <strong>und</strong> Edelhölzern<br />

zurückkehrten. Sie säumen auch die offenen<br />

Abwasserkanäle <strong>und</strong> Abflüsse, die bis heute nicht<br />

nur die nie versiegenden Fluten <strong>und</strong> Flüsse des<br />

Regenwassers auffangen. Diese Straße hier<br />

bewahrt noch das Kopfst<strong>ein</strong>pflaster, holprig grob<br />

<strong>und</strong> unregelmäßig. Die runzeligen, quadratisch von<br />

Hand zurecht geschlagenen St<strong>ein</strong>e haben die<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte problemlos überstanden. Bis heute<br />

schlucken <strong>und</strong> verdauen ihre gefräßigen Spalten,<br />

ständig auf der Lauer, fast alles, Ströme <strong>und</strong><br />

Sintfluten Regenwassers genauso wie f<strong>ein</strong>e<br />

Stilettoabsätze.<br />

Zum Innehalten, Ausruhen lädt der überaus<br />

elegante Granitfußboden der antiken Kirche da<br />

drüben <strong>ein</strong>. S<strong>ein</strong>e Schönheit überdauert bis zum<br />

heutigen Tag, so vortrefflich spielt s<strong>ein</strong> elegantes,<br />

regelmäßig zeitloses Muster s<strong>ein</strong> schwarz/weißes<br />

Licht- <strong>und</strong> Schattenspiel, lässt mich für<br />

Augenblicke den Schimmel vergessen, der sich<br />

den Wänden hoch nagt. Er ist im Diagonal verlegt,<br />

was die Sensation von Weite <strong>und</strong> Großzügigkeit<br />

noch erhöht. Aus der Hochblüte des Kautschuks<br />

stammen die resistenten, kl<strong>ein</strong>en Pflasterst<strong>ein</strong>e,<br />

die sich zu Mosaiken zusammenfügen. Sie<br />

wiederholen die paar klassischen Farben:<br />

verschiedene Abschattierungen von Schiefergrau,<br />

oranges Braun <strong>und</strong> klares Beige. Inspiriert an den<br />

klassischen, portugiesischen Vorbildern, werden<br />

sie entweder als großzügige, offene Fächer<br />

gegen<strong>ein</strong>ander gesetzt oder formen kunstvolle,<br />

zwei <strong>und</strong> dreifarbige Mosaike. Schlängeln sich mit<br />

ihren Blumengirlanden wie endlos ausgerollte,<br />

verst<strong>ein</strong>erte Teppiche den repräsentativen<br />

Hauptstraßen <strong>und</strong> Hauptverkehrsadern lang.<br />

Schmücken die Eingänge des Theaters <strong>und</strong><br />

anderer öffentlicher Gebäude, wo sie sich mit<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 608

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