Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Die Unsichtbaren
Des hautnahen Kontaktes mit der Natur wegen im
Amazonas? Nichts leichter als das. Gehören Sie
zufällig zu den Liebhabern von Kaimanen, kleinen,
wendigen, scharfzähnige Krokodilen mit starren
Augen, die man leicht als „böse“ vermenschlicht?
Mögen Sie hochbeinige Echsen, drachenartige
Urviecher mit Stacheln auf dem Rücken, die leicht
die Größe eines mittleren Hundes erreichen?
Oder stehen Sie gar auf Riesenkakerlaken, Grillen
und Insekten? Ja? Dann sind Sie im Amazonas
genau richtig. Denn diese putzigen Tiere werden
Sie, anders als die so oft in Hochglanzprospekten
beschriebenen Jaguare, Papageien oder Brüllaffen
im Amazonas problemlos finden. Zudem ist eine
Vielzahl mehr oder weniger niedlicher
kriechender und fliegender Zimmergefährten im
Angebot eingeschlossen. Die werden ihnen
sozusagen auf den Leib rücken, oder besser ins
Badezimmer hüpfen, genauso wie die raffinierten
Insekten, die nichts lieber mögen als ganz
frisches, sozusagen neues Blut. Aber seien wir
nicht ungerecht, mit sehr viel Glück wird ihnen ein
Delfin seine Springkünste zeigen und auch
Ornithologen kommen ganz auf ihre Rechnung.
Nicht, dass ich Sie vom Dschungelhotel abbringen
wollte, aber die Aufzählung der Tierarten, die man
auf einer offiziellen Karte des Amazonasgebietes
findet, erscheint überaus aufschlussreich: Es gibt
hier viele Affen. Ungeübten Augen entgeht ihr
lautloses katzenartiges Dahingleiten in den
Bäumen. Nur ein unerwartetes Rauschen von
Blättern oder Wedeln verrät, dass sie gerade im
Land sind. Da wo die Vegetation noch dicht ist,
kann man ganze Affenclans beobachten, einige
sind ziemlich gut an die Zivilisation angepasst. Früh
morgens oder vor dem Einnachten können sie
beim effektvollen von Ast-zu-Ast-springen verfolgt
werden. Sie wählen den Ast, auf dem sie landen
wollen und werfen sich dann mit offenen Gliedern
schwungvoll, gar mit umgeschnalltem Baby, nach
unten und irren sich nie. Nur die kleinen
rotgesichtig-hässlichen „Chuim“ machen durch
ihre zirpende Rufe auf sich aufmerksam. Dann
wenn sie sich seiltänzerisch über die Elektrokabel
bewegen oder runter in ihre Fressbäume fliegen.
Die anderen sind so stumm wie unsichtbar oder
machen sich vor allem beim Einnachten und
nachts durch ihr an- und abschwellendes Gebrüll
bemerkbar. Es sind die Brüllaffen, die schon
manchen Unerfahrenen nicht schlafen ließen. Ihr
gutturales, an- und abschwellendes Heulen kann
man bis auf fünf Kilometer Entfernung hören.
Besonders faszinierend sind die Nachtaffen. Ihr
Huschen kann man mehr erahnen als wirklich
verfolgen. Sieht sie springen oder ihre Silhouette
im Licht einer Straßenlanterne. Auch die „Gambás“
sind nachtaktiv. Hier im Amazonas als „Mucuras“
bezeichnet, sind sie Opossums, ein Nagetier, das
seine Jungen in einer Gürteltasche nährt und
schützt. Sie erinnern mit ihrer spitzen Schnauze
und dem nackten, ellenlangen Schwanz an eine
riesige Ratte. Oft haben sie es sehr lustig. Ganze
Familien holpern, poltern und kugeln nachts in
unregelmäßigen Abständen über´s Dach.
Perfekte Haustiere sind auch die wundersamen
Motten oder Nachtfalter, manche handtellergroß,
andere perfekt als Blatt oder ein Stück
Rinde getarnt. Manche fallen der agil und
zielsicher herausgeschleuderten Zunge der
Hauskröte zum Opfer. Ihr müssen die vielen, vom
grellen Licht angelockten Insekten als wahres
Schlaraffenland vorkommen. Die Kröte
allerdings, die mir auf der Damentoilette
irgendwo im Hinterland Gesellschaft leistete,
entkam dem erlösenden Kuss. Ich konnte mich
nicht überwinden. Sie hätte sich, wer weiß
vielleicht doch in einen knackigen Indioprinzen
verwandelt!
Auch Faultiere sind zivilisationsangepasst.
Manche Stadt im Hinterland hält sich auf dem
zentralen Platz eine Art Maskottchen, das hoch
oben seine unendlich langsamen Bewegungen
zelebriert, vielleicht gar von einem Jungtier eng
umklammert. Es gibt zwei Typen von Faultieren.
Besonders vor den großen haben die Einheimischen
alle sehr großen Respekt. Ihre
sichelförmigen, messerscharfen Krallen können
tiefe Wunden schlangen. Grüne Wellensittiche,
blau und rot gefiederte Papageien und die
wunderschönen Tukane mit ihren sichligen
Schnäbeln in den unterschiedlichsten Farben
kann man mit sehr viel Glück im freien Flug
sehen. Die graziösen „Garças“ Reiher allerdings
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