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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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lauwarmem Wasser aus dem Wasserspender,<br />

stelle die Tasse dann in die Mikrowelle <strong>und</strong> warte<br />

<strong>ein</strong><strong>ein</strong>halb Minuten. Dann nur noch den<br />

Teebeutel im nicht gerade kochend heißen<br />

Wasser baden. Upps. Apropos heißes Wasser:<br />

Nach dem dritten Bad bemerke ich endlich, dass<br />

die Armaturen der Dusche seitenvertauscht sind:<br />

Drehe ich das verm<strong>ein</strong>tlich kalte Wasser auf,<br />

strömt heißes heraus <strong>und</strong> umgekehrt. Der, wie<br />

alles überaus <strong>und</strong> ungewöhnlich großzügig<br />

bemessene, Wasserstrahl allerdings versöhnt<br />

mich mit solch <strong>ein</strong>em nebensächlichen Detail.<br />

Am Nebentisch frühstücken gerade in friedlicher<br />

Koexistenz, die um es etwas locker auszudrücken,<br />

Gegenspieler der Geologen, die NOG-ler, im Blick<br />

Abenteuerlust <strong>und</strong> Idealismus. Ihre beschrifteten<br />

T-Shirts (Amazon Project) verkünden, dass sie,<br />

zumindest in der Theorie, gleich den ganzen<br />

Tropenregenwald retten wollen. Weltgewandt<br />

mischen sie unter ihr Portugiesisch englische<br />

Brocken. Entblößen sich aber bald mit ihren<br />

Fragen nach der lokalen Flora <strong>und</strong> Fauna als<br />

absolute <strong>Amazonien</strong> Greenhorns. Denken, wie die<br />

Mehrheit der Leute von außen, dass es hier<br />

sozusagen nur Natur <strong>und</strong> Tiere, Tiere <strong>und</strong> Natur<br />

gebe. Entzückt sehen sie dem, sicher<br />

ausgesetzten, Kaninchenpaar zu, das am Abend<br />

um den Pool hopst <strong>und</strong> sich nicht sonderlich um<br />

die anderen Gäste in s<strong>ein</strong>em Reich kümmert. Da<br />

sind die so mager wie hochb<strong>ein</strong>igen<br />

panther-artigen Hauskatzen schon viel scheuer.<br />

Gott sei Dank hat niemand die ansehnliche Kröte,<br />

sicher so gutherzig wie hässlich, <strong>und</strong> den winzigen<br />

Frosch gesehen, den ich gestern aus dem Pool<br />

befreite, oder den Leguan, den ich auf m<strong>ein</strong>er<br />

abenteuerlichen <strong>Foto</strong>tour in die Umgebung<br />

aufschreckte. Er suchte sogleich auf langen<br />

Drachenb<strong>ein</strong>en das Weite.<br />

Vielleicht bereiten sich die NGO-ler, der blondhellhäutige<br />

Amerikaner sch<strong>ein</strong>t der Chef zu s<strong>ein</strong>,<br />

auf die öffentliche Audienz vor, die die mächtige,<br />

nordamerikanische Firma Cargill hier abhalten<br />

muss. Ihr übermächtiger Greifarm mitten im Hafen<br />

mahnt überdeutlich daran, dass sie aus der ganzen<br />

Region Soja in die weite Welt exportiert. Noch<br />

mehr Soja soll nun über die endlich fahrtüchtige<br />

BR Santarém Cuiabá her gekarrt werden. Die<br />

Zukunft des Hafens, der ganzen Stadt steht auf<br />

dem Spiel <strong>und</strong> viele komplexe Interessen dazu.<br />

Und das, welch W<strong>und</strong>er, dass mir bis jetzt noch<br />

k<strong>ein</strong>e chinesische Delegation begegnet ist, die sich<br />

hier im Amazonas emsig <strong>und</strong> mit ernsten<br />

Kaufabsichten umsehen.<br />

Während der Woche füllen sich die Tische immer<br />

mehr. R<strong>und</strong> um <strong>ein</strong>en der riesigen Tische trifft sich<br />

gerade die Equipe der „Globo“, mächtigste<br />

Fernsehanstalt Brasiliens. Sie drehen soeben hier<br />

in der Gegend „Tainá III“ - die rührselige<br />

Geschichte <strong>ein</strong>es Indiomädchens, das nun<br />

s<strong>ein</strong>erseits, schon in der dritten Folge, ebenfalls<br />

den Regenwald rettet. Erfahre, dass die kl<strong>ein</strong>e<br />

India, die die Tainá, oder besser ihre Tochter<br />

spielt, in <strong>ein</strong>em richtigen Indiostamm lebt, fünf<br />

Jahre zählt <strong>und</strong> bis zu Beginn der Dreharbeiten<br />

k<strong>ein</strong> Portugiesisch sprach, nur die Sprache ihres<br />

Stammes. Auch, dass das Mädchen nur mit<br />

Bewilligung der Funai, der Indioschutzbehörde<br />

unter Vertrag genommen werden durfte. Einer<br />

der Taxifahrer erzählt, dass sie <strong>ein</strong>e „richtige“<br />

„Maloca“ aufgebaut hätten, <strong>und</strong> dass auch<br />

„richtige“ Indios, nicht verstädterte wie er,<br />

mitspielen würden. Die hielten sich immer<br />

misstrauisch Abseits, mischten sich nicht mal<br />

beim Essen mit den anderen Schauspielern <strong>und</strong><br />

Statisten.<br />

Die wohl <strong>ein</strong>zigen, wirklichen Touristen kommen<br />

soeben vom fantastischen Festival in Parantins<br />

zurück, <strong>ein</strong>e Art amazonischem Karneval, der die<br />

Lende vom „Boi“, von den Nordestinos in den<br />

Amazonas gebracht mit amazonischer Folklore<br />

mischt. Die beiden „Bois“, Garantido, s<strong>ein</strong>e Farbe<br />

ist rot <strong>und</strong> Caprichoso, er ist blau, treten im<br />

Bumbódrom gegen<strong>ein</strong>ander an, das Platz für<br />

35.000 Personen bietet. Alle Zuschauer erküren<br />

schon vor dem Wettbewerb ihren Boi.<br />

Identifizieren sich mit Rot mit dem Boi Garantido<br />

oder ziehen blau für den Caprichoso über <strong>und</strong><br />

tanzen, jedes Mal wenn er auf die Bühne kommt,<br />

extra für ihn <strong>ein</strong>e komplexe, schon vorher<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 401

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