Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Von der Schlange verschlungen
Begegnungen mit Riesenschlangen sind immer so
überraschend wie gewöhnungsbedürftig.
Bin wie immer auf dem morgendlichen
Hundespaziergang. Die drei Hunde,
zufälligerweise alle an der Leine, ziehen jeder in
eine andere Richtung. Die Horde bewaffneter
junger Männer sehe ich erst, als sie mich fast über
den Haufen rennt. In der Vorhut ein nicht mehr
junger Mann mit gegerbten Zügen und dem
rabenschwarzen Haar der Einheimischen. Sein
sehniger Oberkörper ist bloß. Die Schlange, leicht
gekrümmt, vielleicht 2 ½, 3 Meter lang, zieht er
am Schwanz hinter sich her. An ihren Kopf
geheftet eine kleine Karawane, jüngere Männer.
Sie schwingen Macheten. Scheinen aufgeregt. Die
Schlange scheint mir, lebt noch. Ich schreie: -
Was macht ihr mit ihr? Bringt sie nicht um! – Die
Antwort, so überraschend wie lakonisch: Wir
werden sie verspeisen! Nie werde ich wissen, ob
ironisch oder wahr gemeint. Wünsche ihnen
guten Appetit und gehe meiner Wege. Sie rennen
weiter, die Schlange im Schlepptau. Eine Kurve
entzieht sie der Sicht.
Ja, man esse hier Schlangen.Die Hausangestellte
macht mich nicht schlauer. Dachte, dass die nur in
China auf den Speisezettel kämen….
Wie auch immer. Aus der vorletzten, das weiß ich
allerdings nur vom Hörensagen, wurden 20 l Fett
ausgelassen. Die Unglückliche hatte vorher den
vorwitzigen Hund der Mutter eines Bekannten
erwürgt, was auch sie das Leben kostete.
Schlangenfett ist hier sehr beliebt. Dem Fett wird
große Heilkraft zugeschrieben.
Wie auch immer. Die Schlange zeigt mir mal
wieder die haarfeine Messerschneide, auf der wir
hier leben. Sie trennt die sogenannte zivilisierte
Welt von der Barbarie oder was man auch immer
unter den beiden versteht. Manchmal kann man
besser und dann wieder schlechter damit
umgehen. Bleibt nur die Frage in welcher der
Welten sie mich wohl einordnen.
Hart wie Stein
Ich liebe seine warmen, sanften und lang
bewimperten Augen. Der kleine Stier ist
erstaunlich zutraulich. Er ist hier auf dem
unbebauten Nachbargrundstück, obs regnet oder
schneit, Pardon, die Sonne runter brennt, an
einen langen Strick gebunden. Manchmal bindet
ihn sein Besitzer ein paar Straßen und neue
saftgrüne Gräser weiter vorne an. Er senkt den
Kopf und neigt ihn mir dann mit einer unmissverständlichen
Geste erwartend zu! Und als ich
es wage, scheint es ihm gar zu gefallen, wenn ich
ihm die Schädeldecke kraule. Sie ist straff wie
eine Trommel über den Schädel gespannt.
Zwischen Haut und Knochen gibt es kein einziges
Gramm Fett. Wage es sogar, ihm die Brust zu
tätscheln: weiß, mit vereinzelt feinen Dalmatinersprenkeln
und – was für ein Schock, hart wie
ein Stein!!! Das erklärt mir ganz überraschend
und ungewollt die schuhsohlenartige
Beschaffenheit des hiesigen Fleisches! Es ist
immer, zäh und hart, steinhart! Auch dann, wenn
der Metzger das Schnitzel durch eine Art
Häckselmaschine gibt, bevor er es mir einpackt.
Bitte den kleinen Stier insgeheim um Verzeihung.
Geduldig beschwichtigt er mich mit noch einem
treuherzigen, lang bewimperten Blick. Doppelt
mit einem doppelten Wedeln der horizontal
abstehenden Ohren nach und schon ist alles
vergessen. Morgen werde ich ihm wieder die
Schädeldecke kraulen.
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