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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Natur pur – von wegen!<br />

Der Regenwald! Er gilt als <strong>ein</strong>es der letzten<br />

Reservate, als grüne Lunge <strong>und</strong> als <strong>ein</strong>es der<br />

letzten unberührten Paradiese. Je nach<br />

Perspektive kann es aber auch sehr schnell<br />

umkippen, wird zur grünen Hölle. Paradies wie<br />

Hölle, darin sind sich die Träumer aber <strong>ein</strong>ig,<br />

beide sind fast unbewohnt, es gibt fast gar k<strong>ein</strong>e<br />

menschlichen Wesen, die ihnen Stand halten. Er<br />

gilt als <strong>ein</strong>e letzte Reserve überwältigender Natur,<br />

voller wilder Tiere <strong>und</strong> Pflanzen, tief drin vielleicht<br />

von <strong>ein</strong> paar ungezähmten, aber romantisch<br />

idealisierten Indiovölkern, pardon Indigenen<br />

Völkern bewohnt. Wir alle beanspruchen diesen<br />

Traumtropenwald in irgend<strong>ein</strong>er Weise. Nur,<br />

leider, leider muss diese Fantasie <strong>ein</strong>e IIlusion, <strong>ein</strong><br />

Traum bleiben. Denn er deckt sich in k<strong>ein</strong>er Art<br />

<strong>und</strong> Weise mit der realen Realität. Den Amazonas<br />

gibt es gar nicht. Es gibt unendlich viele sehr<br />

verschiedene Amazonasse. So vielfältig <strong>und</strong><br />

grandios, dass es kaum jemandem gelingt, die<br />

riesige, kontinentale Dimension des enormen<br />

Gebietes ganz zu erfassen.<br />

Dass die Natur im Amazonas überwältigt, steht<br />

außer Frage. Besonders überwältigend sind die<br />

Wassermassen, Ströme, Meere, alle gigantisch.<br />

Der Regenwald, den man sich als Tourist zu<br />

Gemüte führen kann, gibt sich allerdings eher<br />

spröde, muss zuerst erschlossen werden. Da, wo<br />

er wirklich unberührt ist, lassen <strong>ein</strong>em s<strong>ein</strong>e<br />

Baumgiganten den Atem stocken. Wer aber Tiere<br />

sehen will, muss schon sehr früh aufstehen, sehr<br />

leise s<strong>ein</strong> oder ganz <strong>ein</strong>fach in <strong>ein</strong>en der spärlichen<br />

Zoos gehen, um die Panther, Delphine <strong>und</strong> „Peixe<br />

Bois“, Seekühe aus der Nähe sehen zu können.<br />

Ansonsten beschränken sich die tierischen<br />

Begegnungen auf <strong>ein</strong> paar w<strong>und</strong>erschöne Vögel,<br />

mit viel Glück <strong>ein</strong> Äffchen, <strong>ein</strong> paar Alligatorenaugen,<br />

hie <strong>und</strong> da <strong>ein</strong>e Kröte <strong>und</strong> unendlich viele,<br />

oft eher lästige oder gar gefährliche, Fieber<br />

bringende Moskitos <strong>und</strong> die unterschiedlichsten<br />

Ameisen, auf ihre Art auch sehr faszinierend.<br />

Zudem verbirgt sich hinter den Schlagzeilen <strong>und</strong><br />

Mythen vom grünen Dschungel <strong>ein</strong>e ganz andere,<br />

realere Realität. Komischerweise sch<strong>ein</strong>t es da<br />

draußen k<strong>ein</strong>em auszufallen, wie Widersprüchlich<br />

es ist, was man so alles über den Amazonas <strong>und</strong><br />

s<strong>ein</strong>e Zerstörung liest. Denn wir waren uns doch<br />

gerade <strong>ein</strong>ig, dass der Amazonas unbewohnt ist.<br />

Der Amazonas zerstört sich nicht selbst. Wer dem<br />

Amazonas auf die Pelle rückt, sind wir alle. Es sind<br />

Menschen, reale Menschen, Menschen aus<br />

Fleisch, Blut <strong>und</strong> Knochen, viele mit indigenen<br />

Zügen, andere zugewandert, Menschen wie wir.<br />

Bis in die 70er Jahre des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

wurde der Tropenwald als <strong>ein</strong>e Art Hindernis<br />

angesehen, das es zu eliminieren galt. Ein<br />

Hindernis auf dem Weg zur ökonomischen<br />

Entwicklung zum von allen ersehnten Fortschritt.<br />

In den 1970er Jahren warf die brasilianische<br />

Militärregierung <strong>ein</strong>en begehrlichen Blick auf den<br />

Amazonas <strong>und</strong> baute die Transamazônica.<br />

Versprach damit die Region nun endgültig zu<br />

bevölkern. „Integrar para não entregar“ –<br />

integrieren, sich <strong>ein</strong>verleiben, um nicht hergeben<br />

zu müssen. (Bis heute geistern die Lenden<br />

herum, dass die Amerikaner den Amazonas<br />

schon annektiert hätten oder schlimmeres.)<br />

Schuf <strong>ein</strong> gigantisches innerbrasilianisches<br />

Migrationsprojekt, das im Amazonas vielen<br />

Hungernden <strong>und</strong> den Ärmsten der Armen<br />

„Terras sem homens para homens sem terra “<br />

Land ohne Menschen (Amazonas) für Menschen<br />

ohne Land (Nordosten) versprach. Das Resultat?<br />

Viehzucht, Soja <strong>und</strong> Ackerbau bedrohen bis<br />

heute den wertvollen Regenwald, denn der wirft<br />

unangetastet eigentlich fast gar nichts ab.<br />

Zudem ist das vom oder gar im Regenwald leben,<br />

alles andere als romantisch. Neben den vielen<br />

Risiken, die man <strong>ein</strong>geht, kommt das Fehlen<br />

jeglicher Perspektiven, nicht nur von<br />

Schulbildung dazu was auch die neueren<br />

Regierungsprogramme nicht lösen, die die<br />

Tendenz zum Assistentialismus fördern. Zudem<br />

ist es wirklich nicht jedermanns Sache, drei, vier,<br />

zehn Tagreisen mit dem Schiff von der nächsten<br />

Zivilisation weg zu leben. Zivilisation bedeutet so<br />

Banales wie Elektrizität, Shoppingcenter,<br />

ärztliche Versorgung, <strong>ein</strong>e Apotheke, Handy,<br />

Internet <strong>und</strong> die neuesten Filme aus Amerika.<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 85

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