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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Der König der schwarzen Cocada<br />

Ein König gefällig? K<strong>ein</strong> Problem - Könige,<br />

Hoflieferanten, gar <strong>ein</strong>en Kaiser findet man hier<br />

fast an jeder Ecke. Da gibt es den König der<br />

Kokosnuss. K<strong>ein</strong>er verkauft königlich köstlicheres<br />

Kokoswasser. Der grellrote Laden „Real Eletrica“<br />

verkauft alles, was <strong>ein</strong> Elektriker so braucht,<br />

Steckdosen, Lampen etc.. Die „reale“ Übersetzung<br />

allerdings hat wohl weniger mit der „Realität“<br />

oder dem „Real“, der brasilianischen Währung zu<br />

tun, als mit dem Titel <strong>ein</strong>es Hoflieferanten. „Real“<br />

kann auch königlich bedeuten. Der König der<br />

Schlüssel, „O Rei das Fechaduras“? Er öffnet<br />

<strong>ein</strong>em alle Türen. Ein riesiger, goldgelber<br />

Pappschlüssel signalisiert, dass es wohl weder<br />

Schloss noch Riegel gibt, die ihm widerstehen.<br />

Brauchen Sie <strong>ein</strong> neues Fahrrad? Der König, der<br />

Fahrräder, s<strong>ein</strong> Geschäft ist, k<strong>ein</strong> W<strong>und</strong>er bei<br />

diesen Straßenverhältnissen, über <strong>und</strong> über mit<br />

Gummiersatzreifen dekoriert. An den seitlichen<br />

Pfeilern prangen alle Fahrradmarken, die er<br />

vertritt. Er verkauft nicht nur königlich Fahrräder,<br />

sondern repariert auch gleich jegliches Stahlross,<br />

neben dem Motorrad wichtiges Verkehrsmittel<br />

bei den amazonischen Distanzen. Sollte es dann<br />

oder irgendetwas anderes Metallenes, doch<br />

irgendwann zu Schrott werden, können Sie es<br />

problemlos zur Schrottkönigin, „Rainha da<br />

Sucata“ bringen! In ihrem Reich handelt man nur<br />

mit Altmetall. Beim Bonbonkönig, „O Rei das<br />

Balas“ oder vielleicht ist es auch <strong>ein</strong>e Königin,<br />

imitieren unbekannt lokale Namen in Schrift <strong>und</strong><br />

Farbe gekonnt national bekannte, viel<br />

kostspieligere Marken. Und wollen Sie wetten?<br />

Sicher noch klebriger <strong>und</strong> süßer als das Original.<br />

Brasilianer sind nun mal geradezu süchtig nach<br />

Süßem, nach Zuckerzeug aller Art.<br />

Einmal sozusagen auf den König gekommen,<br />

stechen mir auch andre, in der Übersetzung oft<br />

etwas hochtrabenden, Namen überall ins Auge:<br />

Die „Prinzessin des Modeschmuckes“ macht wohl<br />

jede Käuferin für Augenblicke zur Prinzessin. Aus<br />

dem Schuhgeschäft „Plattaforma“, Plateausohle,<br />

kommt man wohl hoch erhobenen Kopfes,<br />

natürlich um Zentimeter größer <strong>und</strong> damit Kilos<br />

schlanker, heraus. Was wohl der „Goldfuß“ - „Pé<br />

Dourado“ oder der „MegaPé“ – „Megafuß“<br />

versprechen? Wohl eher <strong>ein</strong>e mega Auswahl als<br />

riese Füße. Die sind hier gar nicht gern gesehen.<br />

Das Schuhgeschäft zur Festung „Sapataria<br />

Fortaleza“ sch<strong>ein</strong>t da wohl <strong>ein</strong>e gute Zuflucht zu<br />

s<strong>ein</strong>. Ob allerdings der „Sichere Schritt“, „Passo<br />

Firme“ Schuhe oder vielleicht Nachhilfeunterricht<br />

verkauft, kann ich im Nachhin<strong>ein</strong> nicht mehr<br />

rekonstruieren.<br />

Der Getränkeverteiler „zum Sternen“ lässt mich<br />

wohl Sterne sehen. Im „Persischen Markt“ gibt‘s<br />

wohl unendlich viele unnütze Kl<strong>ein</strong>igkeiten,<br />

unisono aus China importiert. Das Flair aber, die<br />

Wuselatmosphäre ist wohl echt arabisch.<br />

Nachvollziehbar auch, warum das Farbengeschäft<br />

„Joker“ heißt, oder es im „Paradies“, jawohl,<br />

Unterhöschen, Lingerie <strong>und</strong> Slips, nicht nur vom<br />

F<strong>ein</strong>sten, gibt. Das Jahrh<strong>und</strong>ertgeschäft dagegen<br />

oder vielleicht das Geschäft des Jahrh<strong>und</strong>erts?<br />

stammt wohl noch aus dem letzten. Nichts<br />

wechselt hier schneller, als Geschäftsinhaber <strong>und</strong><br />

Ideen. Was allerdings bis heute widersteht, jedes<br />

Mal noch schlimmer heruntergekommen, ist das<br />

„Grand Hotel“, das wohl außer im Namen nie<br />

irgendwelche Grandezza besaß. In s<strong>ein</strong>em<br />

schlecht isolierten Eingangsbereich regnet es<br />

<strong>ein</strong>fach durch, wie die Pfützen bezeugen. Der<br />

Schriftzug sitzt schräg <strong>und</strong> die Fassade schimmelt<br />

vor sich hin.<br />

Lassen wir das Philosophieren - nehmen wir doch<br />

da drüben auf dem sonntäglichen Hippie- <strong>und</strong><br />

Krimskramsmarkt, <strong>ein</strong>en Frühschoppen.<br />

Cocktails, Drinks <strong>und</strong> Säfte hat sich der<br />

„Alchimist“ auf s<strong>ein</strong> schrillfarbenes Wägelchen<br />

schreiben lassen, zusammen mit zwei<br />

Telefonnummern. Vielleicht wollen Sie ihn ja für<br />

Ihre nächste Garten- oder Swimmingpoolparty<br />

mieten! Wie in <strong>ein</strong>er währschaften Bar zapft er<br />

die richtige Menge Alkohol aus den auf dem Kopf<br />

hin gehängten Flaschen mit den gängigsten<br />

Spirituosen, <strong>ein</strong>ige giftig <strong>und</strong> grellfarben, in den<br />

wackligen Plastikbecher. Ein Caipirinha aus Kiwi,<br />

Erdbeeren oder Maracuja gefällig? Der<br />

hochprozentige Alkohol tötet sicher alle allenfalls<br />

vorhandenen Bakterien ab, auch wenn die<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 518

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