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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Roter Açaí – weißer Açaí<br />

Die trockenen, matt-blau-schwarz wie Lakritze<br />

schimmernden Bällchen heben sich scharf von<br />

den saftgrünen Bananenblättern ab, mit denen<br />

die luftigen Körbe ausgeschlagen sind. Es ist früh,<br />

noch sehr früher Morgen. Noch wird es dauern,<br />

bis der Tag graut. Aber der Açaí-Markt, hier auf<br />

der anderen Seite des Hafens mitten im Zentrum<br />

von Belém ist schon länger in vollem Gange. Es<br />

herrscht <strong>ein</strong> emsiges Treiben. Am Kai legt gerade<br />

noch <strong>ein</strong> gedrungenes Boot an, gießt<br />

Menschenmassen auf die Promenade. Männer<br />

tragen, buckeln, hiefen Korb um Korb, randvoll,<br />

an Land. Reihen sie säuberlich <strong>ein</strong>er neben den<br />

anderen auf. Die w<strong>und</strong>erschönen Körbe sind<br />

altmodisch geflochten, so kann die Luft<br />

ungehindert zirkulieren, der Inhalt, Açaí, auch<br />

weißer Açaí ist darunter <strong>und</strong> Bacaba, bleibt frisch.<br />

Manche haben kunstvolle, turbanartige<br />

Aufbauten, mit Pflanzenstängeln genauso<br />

kunstvoll abgesichert.<br />

Gleich bei der Ankunft wird mir klar, wie es hier zu<br />

<strong>und</strong> her geht. Zimperliches ist für andere. Der<br />

Taxifahrer hat mal wieder k<strong>ein</strong> Wechselgeld.<br />

Nichts <strong>ein</strong>facher als das. Haue den nächststehenden<br />

Mann an. Der zieht ohne Zögern <strong>ein</strong><br />

fünf Zentimeter dickes Bündel Sch<strong>ein</strong>e aus der<br />

Hosentasche. Zählt <strong>ein</strong> paar kl<strong>ein</strong>ere Noten ab.<br />

Hier wird noch bar <strong>und</strong> sicher ohne Quittung<br />

bezahlt. Wie man es mit den Steuern hält, bleibt<br />

Betriebsgeheimnis. Açaí ist in Belém <strong>ein</strong> wichtiger<br />

Wirtschaftsfaktor. Der Markt funktioniert so gut,<br />

dass es hier, im Gegensatz zu anderen Teilen des<br />

Amazonas, das ganze Jahr über frischen Açaí gibt.<br />

Auch <strong>ein</strong>e richtige Börse, die täglich den<br />

Handelspreis festlegt, gibt es. Der Tagespreis des<br />

Açaís wird auch jeden Tag in allen Zeitungen <strong>und</strong><br />

im lokalen Radio veröffentlicht. Hier am Hafen<br />

kaufen Großhändler <strong>und</strong> Supermärkte genauso <strong>ein</strong><br />

wie all die kl<strong>ein</strong>en Hinterhofbüdchen, die jeden<br />

Tag aufs neue frischesten Açaí produzieren. Das<br />

geheimnisvolle System der Produzenten, die<br />

ihrerseits von <strong>ein</strong>em Netz der Händler <strong>und</strong><br />

Zwischenhändler, „Atravessadores“, abhängig<br />

sind, ist für Außenstehende <strong>und</strong>urchschaubar.<br />

Alles noch so, wie ehemals, als Açaí noch<br />

bezahlbar war <strong>und</strong> noch nicht zum Modegetränk<br />

avanciert. Es war, zusammen mit Farinha, das<br />

tagtägliche Brot des Caboclos, die die Technik der<br />

Zubereitung mit Sicherheit von den Indios lernten.<br />

Beliebt ist Açaí auch bis heute noch oder wieder zu<br />

<strong>ein</strong>em guten Stück Fleisch oder Fisch, die können<br />

altmodischer Weise auch <strong>ein</strong>gesalzen s<strong>ein</strong>.<br />

Moderne <strong>und</strong> stättische Haushalte essen Açaí eher<br />

als Nachspeise, dann auch gesüßt.<br />

Açaí ist nichts anderes, als die hauchf<strong>ein</strong>e,<br />

dunkelschwarze Schale <strong>ein</strong>es kl<strong>ein</strong>en<br />

Kokosnüsschens von der Größe <strong>ein</strong>er Kichererbse.<br />

Es wächst in lockeren Dolden am „Açaízeiro“, <strong>ein</strong>er<br />

dünnstämmigen Palmenart. Diese Schale wird<br />

abgerieben <strong>und</strong> in Wasser aufgelöst, bis <strong>ein</strong> dicker<br />

Brei entsteht. Wer das erste Mal von der<br />

dunkelroten, dickflüssigen Masse isst, lokal <strong>und</strong><br />

pur, staunt. Erdig, hölzern, so dick, dass der<br />

Löffel fast darin stecken bleibt. Vom Leckersten,<br />

was es gibt!<br />

Auf die ganze Stadt verteilt signalisieren<br />

<strong>ein</strong>fachere, abgerissenere oder kitschig grelle<br />

Fahnen <strong>und</strong> Tafeln, dass man hier Açaí verkauft.<br />

Nur.... Traditionelerweise stellen kl<strong>ein</strong>e,<br />

halbindustrialisierte Handwerksbetriebe Açaí her.<br />

Oft nicht mehr als kl<strong>ein</strong>e Verschläge <strong>und</strong><br />

Hinterhöfe, <strong>ein</strong> fensterloser Raum mit Tür. Sie<br />

verarbeiten hier die morgens in aller<br />

Herrgottsfrühe frischestens angelieferten<br />

Kokosnüsschen. Açaí ist sehr verderblich.<br />

Morgens abgerieben ändert sich nachmittags<br />

schon der Geschmack, abends ist er sauer <strong>und</strong><br />

damit unverkäuflich. Frischen Açaí gibt es<br />

deshalb nur so lange es hat, normalerweise bis<br />

14h00 Uhr oder so. Bleibt was übrig, kann man<br />

es mit Glück tiefgefroren nach Hause<br />

mitnehmen.<br />

Will man Açaí genießen, lohnen sich <strong>ein</strong> paar<br />

Vorsichtsmaßnahmen. Leisten Sie den<br />

misstrauischen Instruktionen Einheimischer<br />

Folge. Nicht alle Verkaufsstellen sind ausreichend<br />

hygienisch, benutzen gefiltertes Wasser usw…<br />

Heute steht gar in der Zeitung, dass die lokale<br />

Ges<strong>und</strong>heitsaufsichtsbehörde gestern<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 734

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