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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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südlicher Grandezza zu dekorativ verschlungenen<br />

Ornamenten oder komplexen, geometrischen<br />

Figuren zusammen fügen. Auch in den<br />

öffentlichen Parks mit ihren reich ornamentierten<br />

Pavillons der Belle Époque geht man auf ihnen<br />

spazieren. Sie gliedern <strong>und</strong> umfassen die vielen<br />

Rasen- <strong>und</strong> Sandflächen.<br />

Die die vielen Neo´s: Neoklassizismus,<br />

Neobyzantinismus, Neoromanisch, die<br />

Gründerzeit <strong>und</strong> der Eklektizismus haben ihre<br />

Spuren hinterlassen, überdauern in<br />

Haus<strong>ein</strong>gängen hochherrschaftlicher Häuser <strong>und</strong><br />

im Eingangsbereich öffentlicher Gebäude, halten<br />

mit den faszinierend reichen, hochstilisierten <strong>und</strong><br />

geschwungene Gitterzäunen aus der Zeit<br />

Zwiesprache. Andere Eingänge zeigen den<br />

typischen sechseckigen, orangeroten<br />

Klinkerboden. Der Türklopfer hier an <strong>ein</strong>er<br />

massiven Haustür, das schwer-schwarze Blei<br />

abgegriffen <strong>und</strong> poliert, <strong>ein</strong>e mollige Hand, die<br />

aus <strong>ein</strong>er romantisch gerüschten Manschette<br />

schaut <strong>und</strong> <strong>ein</strong> Gewicht umklammert, mit dem<br />

man Einlass begehrt, ist wohl vergessen<br />

gegangen. Die Kirche aus der selben Zeit<br />

schmückt sich mit industriell gefertigten<br />

Zementkacheln, die sich in dunkeldüsteren Farben<br />

mit ihren reichen Ornamenten zu <strong>ein</strong>er Art<br />

st<strong>ein</strong>ernem Orientteppich zusammenfügen.<br />

In den moderneren oder modernisierten Teilen<br />

der Stadt trete ich auf Beton, viel beklatschter<br />

Fortschritt <strong>und</strong> Ästhetik der fortschritts üchtigen<br />

Jahrzehnte zwischen 1950 <strong>und</strong> 1970. Viereckige,<br />

vorfabrizierte Blöcke aus Zement bilden grauslichgräuliche,<br />

billige Imitationen der traditionellen<br />

portugiesischen Muster. Schachbretter, in langen<br />

Streifen zusammengelegt, in beige, grau <strong>und</strong><br />

fahlem, <strong>und</strong>efinierbarem Rot, voller tückischer<br />

Löcher, fehlender St<strong>ein</strong>e <strong>und</strong> Wasser<strong>ein</strong>filtrationen,<br />

kl<strong>ein</strong>e, hinterlistig gestellten Fallen für<br />

unvorbereitete, unbedacht gesetzte Füße, die mit<br />

achtsamem Blick <strong>und</strong> manchem Hopser entschärft<br />

werden müssen. Heute setzt man, fehlendem<br />

Geschmack oder fehlendem Geld zuzuschreiben?<br />

auf <strong>ein</strong>gefärbten oder übermalten Zement, hier<br />

<strong>und</strong> da <strong>ein</strong>gerissen, fehlerhaft, am Zerbröseln. Die<br />

Trottoirs sind <strong>ein</strong> <strong>ein</strong>zelnes buntes Mach- <strong>und</strong><br />

Flickwerk, denn oft ist der Hausbesitzer für das<br />

Stück Bürgersteig vor s<strong>ein</strong>em Haus verantwortlich.<br />

Aber nun wird‘s edel! Herrrrr<strong>ein</strong>spaziert m<strong>ein</strong>e<br />

Damen <strong>und</strong> Herren. Darf ich Ihnen <strong>ein</strong>e durch <strong>und</strong><br />

durch <strong>ein</strong>heimische Kostbarkeit vorstellen?!<br />

Parkett aus den edelsten Tropenhölzern,<br />

gleichzeitig genial <strong>ein</strong>fach <strong>und</strong> überaus elegant.<br />

S<strong>ein</strong> Geheimnis? Zweifarbene, kostbare, lange<br />

Dielen, abwechselnd <strong>ein</strong>e aus hellem „Pau<br />

Marfim“, Elfenb<strong>ein</strong>holz neben <strong>ein</strong>er aus<br />

fastschwarzem „Jacarandá“ – Ebenholz verlegt.<br />

Fantastisch, dieser großzügige Flur, perfekt<br />

gewachst <strong>und</strong> gebohnert! Und erst der gigantische<br />

Tanzsaal mit der hohen Decke, den<br />

stuckverzierten Spiegeln <strong>und</strong> den schnörkligen<br />

Leuchtern! Zur selben Zeit anheimelnd,<br />

majestätisch <strong>und</strong> fremd – Inseln guten<br />

Geschmacks inmitten <strong>ein</strong>es Meeres zementierter<br />

Gleichförmigkeit, dessen m<strong>ein</strong>e Füße<br />

trotzdem nie müde werden. Entdecke, erobere<br />

jedes Mal etwas Neues, kl<strong>ein</strong>e, charmante<br />

Geheimnisse, die Fetzen <strong>ein</strong>es Gesprächs, <strong>ein</strong>e<br />

unerwartet lauschige, von der Modernität<br />

vergessene Ecke. Setze, Einzelstück für<br />

Einzelstück, Fragment für Fragment, das Puzzle<br />

zusammen, das mir wohl irgendwann die Seele<br />

dieser Stadt verrät.<br />

Nachtrag. Auf der Insel Marajó, irgendwo in der<br />

Vergangenheit vergessen worden, stoße ich auf<br />

unerwartetes Selbstbewussts<strong>ein</strong>. Die Hotelbesitzerin<br />

erklärt mir, wie <strong>ein</strong>fach es sei, sich<br />

hier zurechtzufinden! Die Straßen der Stadt seien<br />

<strong>ein</strong>fach nummeriert, genauso wie in New York!<br />

Die Längsstraßen hätten gerade Nummern, die<br />

Querstraßen, die Travessas, ungerade.<br />

Finde dann auch problemlos an der Ecke der<br />

Fünften mit der Siebten das Lokal, das ich suchte.<br />

Wie in New York….<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 609

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