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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Uschi, die Duftende<br />

-“Ach, Sie sind Ausländerin! Deutscher<br />

Muttersprache?!“ –sogleich erinnert sich<br />

mindestens <strong>ein</strong>er in der R<strong>und</strong>e an <strong>ein</strong>e andere<br />

Deutsche, <strong>ein</strong>en anderen Landsmann, aus dem<br />

Bekanntenkreis. Wenn sie überhaupt das Wort an<br />

mich richten: Vielleicht spricht sie ja gar k<strong>ein</strong><br />

Portugiesisch!<br />

Deutsch-s<strong>ein</strong>, Deutsch-sprechen wird so<br />

automatisch zum gem<strong>ein</strong>samen Nenner zwischen<br />

mir <strong>und</strong> jenen Personen, die ich soeben kennen<br />

lerne. Wohl urmenschlich, wenn man Entzücken<br />

erwartet, wenn man in <strong>ein</strong>em stockfremden Land<br />

auf so etwas Vertrautes wie auf <strong>ein</strong>en anderen Ex-<br />

Patrioten, wenn auch nur vom Hörensagen, stößt.<br />

Leider splittert dann beim persönlich Kennenlernen<br />

oft etwas vom Lack ab. Spätestens dann<br />

nämlich, wenn man zwar Land- oder<br />

Sprachgenossen findet, aber zum x-ten Mal<br />

feststellt, dass man außer dem fremden Land<br />

oder der Sprache <strong>und</strong> dem selbst gewählten Exil<br />

nicht viel gem<strong>ein</strong>sam hat. Würde diesen<br />

Mitbürger zu Hause wohl höchstens höflich<br />

grüßen, ihn mir sich aber nie zum Fre<strong>und</strong><br />

aussuchen. Im Exil erwarten aber alle<br />

umstehenden immer <strong>ein</strong>e sofortige<br />

Verbrüderung.<br />

Mit Uschi, der Duftenden, Name geändert, verhält<br />

es sich ebenso. Die unterschiedlichsten Leute<br />

erzählen mir sogleich von ihr. Sie muss bekannt<br />

s<strong>ein</strong>, wie <strong>ein</strong> bunter H<strong>und</strong>, oder das Dorf ist so<br />

kl<strong>ein</strong>, dass hier jeder jeden kennt. Wie dumm nur,<br />

dass ich, als sie uns besuchen kommt, oder besser<br />

vorbeikommt, um ihr Selber<strong>ein</strong>gemachtes zu<br />

verkaufen, ausgerechnet nicht da bin.<br />

Wir, die aus dem deutschsprachigen Raum<br />

kommen, lerne ich hier, können alle sehr gut<br />

kochen <strong>und</strong> noch besser Einmachen. Das wurde<br />

uns, <strong>ein</strong>e Art Nationalheiligtum, sozusagen in die<br />

Wiege gelegt. Gebe zu, dass m<strong>ein</strong>en Einweckkünsten<br />

k<strong>ein</strong> Früchtesegen entkommt. Habe mir<br />

gar schon <strong>ein</strong>en kl<strong>ein</strong>en Fankreis damit erkocht,<br />

manche Fre<strong>und</strong>e sind ganz wild auf m<strong>ein</strong>e kl<strong>ein</strong>en<br />

Aufmerksamkeiten, besonders da ich ganz<br />

europäisch nicht so tief in den Zuckertopf greife<br />

wie die Einheimischen.<br />

Doch der Vergleich hinkt. Die Mehrheit der<br />

brasilianischen Mittelklassefrauen lässt nun mal<br />

kochen. Es ist die Hausangestellte, die die von<br />

perfekt organisierten Hausfrauen wöchentlich<br />

geplanten <strong>und</strong> <strong>ein</strong>gekauften Menüs zubereiten.<br />

Die tagsüber abwesende Familie wärmt sie dann,<br />

Mikrowelle sei Dank, abends <strong>ein</strong>fach auf. Sie<br />

hygienisiert <strong>und</strong> wäscht auch Salat <strong>und</strong> Früchte,<br />

schnitzelt das sterile Obst in m<strong>und</strong>gerechte<br />

Happen, wenn überhaupt welches auf den Tisch<br />

kommt. Da viele Familien jeden Tag Reis <strong>und</strong><br />

Bohnen, Bohnen <strong>und</strong> Reis essen, variiert eigentlich<br />

nur das Fleisch, heute Hühnchen, morgen Rind,<br />

immer hauchf<strong>ein</strong> <strong>und</strong> schuhsohlentrocken<br />

durchgebraten.<br />

Aber zurück zu Uschi, Uschi, der Duftenden.<br />

Endlich hilft mir jemand, <strong>ein</strong>es tropisch-heißen<br />

Tages, auf die Sprünge: Uschi ist Deutsche <strong>und</strong><br />

damit, entschuldigen Sie das perfekte Vorurteil,<br />

daran gewohnt, höchstens alle zwei oder drei<br />

Tage zu duschen. Trägt ihre Kleider, auch bei<br />

amazonischen Höchsttemperaturen, mehrmals<br />

hinter<strong>ein</strong>ander. Schwört gar, noch schlimmer,<br />

auf billige Synthetiks. Wird so für die sensiblen<br />

brasilianischen Nasen, zu Uschi, der Duftenden.<br />

Letzteres natürlich ironisch gem<strong>ein</strong>t.<br />

Aus Erfahrung kann ich dazu nur sagen: Es fehlt<br />

ihr ganz <strong>ein</strong>fach noch der richtige brasilianische<br />

Fre<strong>und</strong>. Einige von Uschis Landsleuten, ganz<br />

krass war es bei <strong>ein</strong>em jungen Mann, haben sich<br />

sozusagen über Nacht in wohlriechende<br />

Mitbürger verwandelt. Der junge Mann verliebte<br />

sich, wupps, noch <strong>ein</strong> Vorurteil, in <strong>ein</strong>e<br />

w<strong>und</strong>erschöne, immer äußerst wohlriechende,<br />

frisch geduschte, zierliche Mulattin. Heiratete sie<br />

dann auch <strong>und</strong> folgte ihr in den Nordosten. S<strong>ein</strong>e<br />

Duftwolke verbesserte sich sozusagen<br />

schlagartig. Und wenn sie nicht gestorben sind,<br />

so leben sie bis heute glücklich <strong>und</strong> überaus<br />

wohlriechend, jeden Tag frisch geduscht, bis an<br />

ihr Lebensende weiter.<br />

Was aus der duftenden Uschi geworden ist?<br />

Entzieht sich leider m<strong>ein</strong>er Kenntnis. Des doch<br />

sehr prekären <strong>und</strong> alternativen Lebens wohl<br />

überdrüssig, arbeitet sie heute vielleicht<br />

irgendwo in der guten alten Heimat auf der Bank<br />

oder im Supermarkt.<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 803

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