Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Der Brei
Die Kinder, ein Junge, ein Mädchen, die Haut
olivenfarben getönt, die kurzdunklen Haare
glattglänzend wie Seide, springen vorne weg.
Lachen, fröhlich, jeglicher Stopp ist ihnen ein
neues Spiel wert. Die Mutter, den Körper
bremsend zurückgelegt, sichert mit beiden
Händen die zum Bauchladen umgebaute
Schubkarre. Soeben hat sie eine der unzähligen
Verkäuferinnen vor deren Lädchen bedient, deren
hochstehender Bauch das gelbe Blüschen in
starkem Gelb weit und hoch wölbt. Es ist gleich
unter der Brust geschnürt. Lachend kommentiert
sie, die Zwei-Realnote schon in der Hand, dass der
kleine Extraimbiss ihnen, ihr und dem Kind in
ihrem Bauch, helfen werde, das Stehen bis zur
Mittagspause durchzuhalten.
Ich verfolge gebannt den magischen Schöpflöffel
aus blauem Plastik, sehe, wie er geschickt eine
weiße, dicklich dampfende Flüssigkeit in den
dünnen Plastikbecher tropft und schon ist´s um
mich geschehen. Unwiderstehlich! „Mingau“!!! –
Hunger??? oder ganz einfach Fressgelüste? Sie
hat heute „Mingau de Tapioca“ im Topf. Dicklich
in der Konsistenz, wird er aus Wasser,
Kokosmilch, einer Prise Salz und natürlich
Tapiocaflocken, crispe, lockerluftige Crunchs aus
Maniok, zusammengerührt. Die cremige Süße
verleiht im die, Nestlé sei Dank, obligate
Kondensmilch, von der Köchin/Verkäuferin unter
dem fesch rot-grün karierten Hut mit der kurzen
Krempe und dem unwiderstehlichen Lächeln
großzügigst im Plastikbecher verteilt. Eine Lage in
den halb vollen Becher, die zweite als ultrasüße
Kuvertüre - Halt! Stop, nicht so süß, bitte! -
obenauf. Schmeckt einfach göttlich, heiß und
köstlich!
Sie dirigiert Kinder und Schubkarre straßabwärts,
das auf Maß zurechtgeschnittene Holzbrett
scheint die drei riesigen, grauen, tecnogestylten
Thermoskrüge, die Verschlüsse sorgfältig mit
einem Handtuch geschützt, gut aufrecht und an
Ort und Stelle zu bewahren.
Schaufle mir Plastiklöffelchen hinter Plastiklöffelchen
der Breisuppe in den Mund. Die fast
transparenten Kügelchen sind al-dente,
widerstehen dem Biss im genau richtigen Maß.
Altmodisches Komfortessen. Warum nur haben
die Spitzenköche dieses Wundergericht noch nicht
in ihr Repertoire aufgenommen?
Lustigerweise ist der Verkauf von Brei hier im
Hinterland Männersache. Da ich sozusagen
Stammkundin bin, hat mir der geschäftstüchtige
Mann sogar sein Kochrezept, diesmal des
Maisbreis verraten. Klagte, dass meiner einfach
nie so gut sei. Alles beginnt am Vortag. Die ganzen,
weißen Maiskörner müssen eine Nacht lang
eingeweicht werden. Werden dann am Vorabend
gekocht, zuerst mit Wasser, dann mit der ewig
präsenten Kondensmilch und Kokosmilch. Er
betont, dass er nur die beste Marke, Nestlé
verwende. Das merke man am Endresultat. Dann
köchelt der Brei zusammen mit den restlichen
Zutaten stundenlang vor sich hin, um dann am
nächsten Morgen wieder aufgewärmt, verkauft zu
werden. Köstlich!
Ach, übrigens, im hintersten Hinterland gab es gar
einen Disc-Mingau. Per Handy kann der
gewünschte Brei, Mais, Tapioca, Reis mit Kürbis
oder am allerleckersten, grüne Kochbananen
bestellt werden und wird sogleich per Motorrad
geliefert. Wenn nur die vielen Plastikbecher nicht
wären…. .
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