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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Glaubensbekenntnisse<br />

Lese, lese noch <strong>ein</strong>mal, <strong>ein</strong> drittes Mal, ohne zu<br />

verstehen. „100 ele 100 chance“. Aha, da fällt der<br />

Groschen: die Aussprache der Zahl h<strong>und</strong>ert ist<br />

identisch mit ohne. Also: „Ohne ihn, ohne<br />

Chance!“ Gott, oder wenigstens s<strong>ein</strong> Name, ist,<br />

nicht nur hier im Norden, in aller M<strong>und</strong>e. Und das<br />

nicht nur, weil das Land ursprünglich<br />

hochkatholisch war. Faszinierend, dass <strong>und</strong> wie<br />

man das jederzeit <strong>und</strong> jedem K<strong>und</strong> tun muss... .<br />

Seien Sie also nicht erstaunt, wenn Ihnen beim<br />

Abschied <strong>ein</strong> – „So Gott will!“ – (Se Deus quiser)<br />

gewünscht wird. – „Um der Liebe Gottes / Gottes<br />

Liebe wegen“ – (Pelo amor de Deus) - „Gott<br />

befreie mich (davon)“ (Deus me livre) – „Gott ist<br />

gerecht/groß“ – (Deus é justo/grande) <strong>und</strong> viele<br />

andere Aussprüche mit Ausrufezeichen sind nicht<br />

nur den evangelikalen, gottesfürchtigen<br />

Gottessöhnen so geläufig, wie sich gegenseitig<br />

Schwester <strong>und</strong> Bruder im Glauben zu nennen.<br />

N<strong>ein</strong>, sie verstopfen sich gegenseitig <strong>und</strong> oft auch<br />

den anderen die Mailbox mit süßlichen Gebeten<br />

<strong>und</strong> Botschaften. Auch in der katholischen Kirche<br />

empfängt man heute den Segen modernerweise<br />

mit ausgestrecktem Arm. Nach den Messen, auch<br />

der katholischen, umarmen sie die Umstehenden,<br />

schließen Wildfremde, die sie nie mehr<br />

sehen werden, warm in den Arm. Alle sind durch<br />

den Kult zu Mitbrüdern <strong>und</strong> Mitschwestern<br />

geworden, Mitchristen. - W<strong>und</strong>erschön, wenn<br />

sich diese Ideen auch wirklich im Alltag<br />

durchsetzen würden, nicht leere Worthülsen oder<br />

schale Umarmungen blieben, sondern von Taten<br />

begleitet würden.<br />

Dass die Tage der allgegenwärtigen katholischen<br />

Kirche gezählt sind, wird jedem, der nicht<br />

wegschaut, bald klar. Gab es früher im<br />

hochkatholischen Brasilien viele Spiritisten, so<br />

sch<strong>ein</strong>t es nun, als ob mächtige evangelische<br />

Wellen das Land überrollten. Wie Pilze schießen<br />

die verschiedensten evangelikalischen<br />

Sektenkirchen aus dem sch<strong>ein</strong>bar überaus<br />

fruchtbaren Boden. Die religiöse Mobilität ist<br />

be<strong>ein</strong>druckend. Heute sind drei von 10<br />

Brasilianern Anhänger <strong>ein</strong>er evangelischen<br />

Strömung. Nicht nur, dass Gott nach der<br />

alttestamentlichen Auffassung vieler Sekten s<strong>ein</strong>e<br />

Anhänger mit materiellem Wohlstand segnet.<br />

Praktischerweise gibt es auch im verlassensten<br />

Dorf am hintersten Flusslauf <strong>ein</strong>en passenden<br />

Tempel mit regelmäßigen Gottesdiensten, alle<br />

natürlich, wie von allen evangelikalen Kirchen<br />

praktiziert, vom Zehnten Teil des Einkommens der<br />

Gläubigen errichtet. Dazu wird gesungen, der<br />

Teufel ausgetrieben <strong>und</strong> manche Leute fallen in<br />

Trance.<br />

Eine der evangelikalischen Kirchen, hier im Norden<br />

besonders stark <strong>und</strong> prominent vertreten, ist die<br />

„Assembleia de Deus“. Sie wurde 1911 von zwei<br />

schwedischen Missionaren, Gunnar Vingren <strong>und</strong><br />

Daniel Berg in Belém, Pará, gegründet. Ehemalige<br />

Mitglieder der Baptistenkirche, waren sie<br />

Anhänger <strong>ein</strong>er Doktrin, der es eigen war, währen<br />

des Gottesdienstes “in Zungen” zu sprechen. Im<br />

hochemotionellen Brasilien kommen solche<br />

mythischen, transzendentalen Vorstellungen gut<br />

an. Die mächtige, heute weltweit verzweigte<br />

„Assembleia de Deus“, oder besser ihre<br />

Anhänger, verfügen derzeit auch über <strong>ein</strong>e<br />

starke Lobby in der brasilianischen Politik.<br />

Stellten <strong>und</strong> stellen gar die von der ganzen<br />

brasilianischen Mittelklasse als Alternative<br />

umjubelte Präsidentschaftskandidatin Marina<br />

Silva.<br />

Und so sammle ich weiter. Vor allem in weniger<br />

begüterten Vierteln stößt man an jeder Ecke auf<br />

<strong>ein</strong>en aus Spendengeldern, beileibe nicht nur der<br />

Zehnte wird abgeliefert, hochgezogen Tempel: -<br />

Gottes Versammlung - Der Göttliche Garten - <strong>ein</strong><br />

religiöser Kindergarten - die Spirituelle<br />

Kongregation Jesu - das Projekt der<br />

Evangelisierung zu Gottes Glorie - die<br />

Missionarische Promotion für Leben <strong>und</strong> Frieden<br />

- sind nur <strong>ein</strong>ige, schlecht übersetzte Namen von<br />

Kirchen, oder besser Sekte+n, die mir vor die<br />

<strong>Foto</strong>linse gekommen sind. Verwischen,<br />

vertuschen, echt brasilianisch tolerant, auch die<br />

religiösen Grenzen <strong>und</strong> Dogmen. Lassen mich gar<br />

im Zweifel. Glauben sie nicht alle an <strong>ein</strong> <strong>und</strong> den<br />

selben gütigen Gott?<br />

Der religiöse Ladenbesitzer jedenfalls verkündet<br />

jedem, der es lesen will: - „Beim Her<strong>ein</strong>kommen<br />

wird Gott dich beschützen, beim Weggehen wird<br />

Gott dich begleiten.“ Der Besitzer des Bootes<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 430

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