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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Feuchtigkeit ist unangenehm. M<strong>ein</strong>e Jeans haben<br />

sich immer in kürzester Zeit mit Schweiß voll<br />

gesogen. Die Männer gehen sehr schnell, es ist<br />

nicht so <strong>ein</strong>fach, ihnen zu folgen. Tiere sieht man<br />

sehr wenige, sie sagen es gebe Affen, Jaguare,<br />

kl<strong>ein</strong>e Rehe <strong>und</strong> natürlich viele, viele<br />

Kl<strong>ein</strong>stlebewesen <strong>und</strong> Insekten. Schlangen gibt es,<br />

wie es sch<strong>ein</strong>t, wenige.<br />

Die erste Equipe kommt in Abständen von 20<br />

Tagen zur Fabrik zurück. Sie haben im Wald<br />

genaue Hinweise angebracht, wo es <strong>ein</strong>en<br />

Rosenholzbaum zum Fällen gibt. Normalerweise<br />

findet man pro Hektare etwa fünf Exemplare der<br />

der begehrten Bäume. Die zweite Equipe verlässt<br />

die Fabrik nach Mitternacht, so um <strong>ein</strong> Uhr früh,<br />

<strong>und</strong> kommt erst am Abend des nächsten Tages, so<br />

um 21 Uhr zurück. Die Männer schlafen<br />

Untertags, irgendwo, zum Beispiel auf den<br />

geschlagenen Stämmen. Auf jeder Reise gehen<br />

immer <strong>ein</strong>er oder zwei Traktoren kaputt, was zu<br />

unfreiwilligen Pausen führt, weil Teile fehlen oder<br />

so. Aber die Männer kriegen sie immer wieder<br />

irgendwie hin. Gelingt es k<strong>ein</strong>em mehr, den<br />

Traktor zu reparieren, löst Dona Neta das<br />

Problem. Sie ist die beste Mechanikerin von allen.<br />

Fehlen Teile, schreibt sie <strong>ein</strong>e Nachricht, lässt sie<br />

am Rand der Straße, wo sie <strong>ein</strong>er ihrer<br />

Mitarbeiter holt, die Teile kauft <strong>und</strong> auf s<strong>ein</strong>er<br />

nächsten Reise dahin mitbringt.<br />

Bäume, die weniger als vier Handspannen (ca. 30 cm<br />

Durchmesser) messen, schneiden sie nicht. Die<br />

Arbeiter von Dona Neta fällen nur Rosenholzbäume. Da<br />

könnte der wertvollste Baum daneben stehen – der<br />

interessiert sie nicht. Die gefällten Stämme<br />

zerschneiden sie in meterlange Stücke <strong>und</strong><br />

transportieren sie so zur Fabrik. Wenn sie da<br />

ankommen, rollen sie die Strünke über <strong>ein</strong>en Abhang<br />

hinunter, schleppen sie zum Häcksler <strong>und</strong> schneiden<br />

sie kl<strong>ein</strong>. Mit den weniger als zündholzschachtelgroßen<br />

Stücken füllen sie den Destillationsapparat aus Eisen.<br />

Sie lassen nicht das kl<strong>ein</strong>ste Stückchen übrig. Alle Äste,<br />

alles wird destilliert. Der Destillationsapparat ist sehr<br />

alt, er hat 15 oder 20 Jahre auf dem Buckel <strong>und</strong><br />

stammt von <strong>ein</strong>em verschrotteten Schiff.<br />

Der Vorgang ist <strong>ein</strong>fach. Destilliert wird mit Dampf. Der<br />

steigt aus <strong>ein</strong>er riesigen Pfanne auf, dringt in das Holz<br />

<strong>ein</strong> <strong>und</strong> löst das Öl aus dem Holz. Kühlt die Mischung<br />

aus Dampf <strong>und</strong> Öl aus, wird der Dampf wieder zu<br />

Wasser, das sich automatisch vom Öl trennt. Das Öl<br />

muss dann nur noch gesiebt werden <strong>und</strong> wird dann in<br />

Fässer abgefüllt, die mit der nächsten Reise bis zur<br />

Straße gebracht werden. Dona Neta verkauft nur an<br />

<strong>ein</strong>en <strong>ein</strong>zigen Großhändler, der das Öl dann<br />

exportiert. Die Beziehung mit dem Großhändler geht<br />

weit über den Kauf des Öls hinaus. Es ist <strong>ein</strong>e Art<br />

versteckter Abhängigkeit. Der Großhändler hilft mit<br />

Krediten, wenn Dona Netta – wie immer, in finanziellen<br />

Schwierigkeiten ist – bezahlt aber nur die Hälfte des<br />

Marktpreises.<br />

Ein anderer Teil der Reise führte Eduardo flussabwärts,<br />

bis Santarém. Er fuhr mit dem Linienschiff. Das ist die<br />

billigste <strong>und</strong> populärste Art auf dem Amazonas zu<br />

reisen, deshalb sind die Schiffe immer total überladen.<br />

Die Schiffe, aus Eisen, sind sehr alt <strong>und</strong> oft in<br />

fragwürdigem Zustand. Sie wurden in den dreißiger<br />

oder vierziger Jahren des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts aus<br />

England importiert <strong>und</strong> bieten nur minimalen Komfort.<br />

Auf dem Oberdeck breitet sich während der ganzen<br />

Reise, Tag <strong>und</strong> Nacht, <strong>ein</strong> dichter Wald aus<br />

Hängematten aus, dicht an dicht, <strong>ein</strong>e neben die<br />

andere gehängt. Daneben, darüber, in allen Ecken <strong>und</strong><br />

Nischen Menschen, ganze Familien, mit Kind <strong>und</strong> Kegel<br />

<strong>und</strong> Babys, nicht zu vergessen ihre wertvolle Fracht:<br />

Früchte, Fische, Hühner, Elektrogeräte, Autoteile,<br />

Fahrräder. Auf dieser Reise war es so kalt, dass<br />

Eduardo sich noch jetzt ungern daran erinnert:<br />

- „Nie in m<strong>ein</strong>em Leben habe ich so gefroren, wie<br />

nachts auf diesem verflixten Schiff!“ - Prompt kam<br />

Eduardo dann in Santarém mit <strong>ein</strong>er Grippe an.<br />

Trotzdem fuhr er bis zur Station Curuauna weiter. Die<br />

liegt nahe bei Santarém <strong>und</strong> heißt „Centro da<br />

Tecnologia da Madeira”, Zentrum der Holztechnologie<br />

<strong>und</strong> gehört der SUDAM, <strong>ein</strong>er staatlichen Stelle. Die<br />

Reise dauerte 3 V bis 4 St<strong>und</strong>en über Land<br />

<strong>und</strong> noch 40 Minuten mit dem Schiff. Die Straße ist<br />

neu. - „Früher dauerte die Autofahrt mehr als 10<br />

St<strong>und</strong>en.“ - Die Station, vor dreißig Jahren von<br />

Amerikanern gegründet, ist sehr außergewöhnlich, weil<br />

dort drei ganz unterschiedliche Ökosysteme<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 119

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