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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Belterra/Fordlândia, der gespenstische Traum Henry Fords<br />

Die grün abgesetzten, weißen Holz<strong>ein</strong>familienhäuschen,<br />

<strong>ein</strong>s <strong>ein</strong>e Kopie des nächsten, säumen<br />

noch immer die schnurgerade Hauptstraße.<br />

Zeitzeugen <strong>ein</strong>es amerikanischen Kapitalistentraums<br />

oder wohl besser Deliriums, irgendwie<br />

hier in Belterra, nahe bei Santarém mitten im<br />

Dschungel gestrandet. Das Bürgermeisteramt<br />

wird immer noch von den unendlich hohen<br />

Palmen gesäumt. Nur die Fenster sind<br />

verbarikadiert, der Klimaanlage wegen.<br />

Belterras Hochblüte als amerikanische Musterstadt,<br />

<strong>ein</strong>e goldene Zeit, dauerte nur zwei kurze<br />

Jahre, von 1938 bis 1940. Während dieser zwei<br />

Jahre stand die heute verschlafene Stadt im<br />

Zentrum des Weltgeschehens. War nichts weniger<br />

als der Standort der größten unabhängigen<br />

Kautschukproduktion der Welt. Belterra war<br />

voller Ausländer, Amerikaner <strong>und</strong> Abenteurer aus<br />

der restlichen Welt. Es soll der Autobauer <strong>und</strong><br />

Millionär Heny Ford höchst persönlich gewesen<br />

s<strong>ein</strong>, der Belterra, Schöne/es Erde/Land s<strong>ein</strong>en<br />

klangvollen Namen verlieh <strong>und</strong> hier versuchte,<br />

s<strong>ein</strong>e reformistischen Ideen zu verwirklichen.<br />

Alles begann 1921. Die USA war der größte<br />

Autohersteller der Welt. Mehr als die Hälfte aller<br />

neuen Wagen, die auf den Markt kamen,<br />

stammten aus Henry Fords Produktion. Der in<br />

Asien angebaute Kautschuk war sehr wichtig für<br />

die amerikanische Reifenfabrikation.Gr<strong>und</strong> genug,<br />

noch <strong>ein</strong>en s<strong>ein</strong>er megalomanischen Träume in die<br />

Realität umsetzen. Es galt, das Monopol der<br />

Engländer zu brechen, die als <strong>ein</strong>zige in Asien<br />

Kautschuk ernten, der in Plantagen angebaut <strong>und</strong><br />

nicht wie im Amazonas noch immer direkt aus<br />

dem Regenwald gewonnen wurde, unter<br />

menschenunwürdigsten Umständen <strong>und</strong> mit<br />

primitivsten Methoden. Was da funktionierte,<br />

konnte auch hier im Amazonas Wirklichkeit<br />

werden.<br />

Bald verschärfte sich auch die politische Situation.<br />

Mit dem Ausbruch des 2. Weltkrieges wurden die<br />

Gummiplantagen vom japanischen Heer besetzt.<br />

Japan aber war erklärter F<strong>ein</strong>d der USA <strong>und</strong> so sah<br />

sich Heny Ford bald schon in <strong>ein</strong>em Engpass. Mit<br />

s<strong>ein</strong>er American Rubber Mission wollte er sich<br />

daraus befreien. Sie sollte s<strong>ein</strong> Unternehmen<br />

unabhängig machen, <strong>und</strong> dem Marktführer der<br />

amerikanischen Automobilindustrie erlauben,<br />

s<strong>ein</strong>e immer stärker werdende Nachfrage nach<br />

Gummi für die Reifen <strong>und</strong> andere Autoteile der<br />

Fordmobile zu befriedigen. Ein Abkommen mit der<br />

Brasilianischen Regierung abgeschlossen, <strong>und</strong> bald<br />

schon bekam er alle nur nötige Unterstützung,<br />

auch in Form von Krediten, um am ausgewählten<br />

Ort Fordlândia zu errichten. Da wollte er neben<br />

<strong>ein</strong>er Gummiplantage auch <strong>ein</strong>e Forschungsstation<br />

<strong>ein</strong>richten. Fordlândia liegt 3-4 Schiffsst<strong>und</strong>en<br />

flussabwärts von Santarém. Das Unternehmen<br />

erwies sich schon bald als R<strong>ein</strong>fall, <strong>ein</strong> wahres<br />

Fiasco. Der zweite Boom der <strong>Amazonien</strong> ins<br />

Zentrum der globalen Wirtschaft rückte, blieb <strong>ein</strong><br />

kläglicher Versuch. Der Traum, auch hier Latex in<br />

großem Stil anzubauen dauerte nur von 1934 bis<br />

1945. Fordlândia wurde 1936 aufgegeben <strong>und</strong><br />

gegen Belterra getauscht. Heny Fords<br />

Monokulturen mit aus Asien importierten<br />

Gummibaumsetzlingen hielten vor Ort verschiedenen,<br />

nicht vorhersehbaren Krankheiten, unter<br />

anderem <strong>ein</strong>em Pilzbefall, nicht Stand. Die 1,5<br />

Millionen Gummibäume der Plantage starben ab.<br />

Aber so schnell gab sich der Amerikaner nicht<br />

geschlagen. Die klimatischen <strong>und</strong> logistischen<br />

Bedingungen in Belterra versprachen Besseres.<br />

Die Böden seien fruchtbarer, der Zugang per<br />

Schiff um <strong>ein</strong>iges <strong>ein</strong>facher <strong>und</strong> so entstand über<br />

Nacht <strong>ein</strong>e amerikanische Musterstadt mitten im<br />

Dschungel. Amerikanische Führungskräfte sollen<br />

hier aus ungebildeten Caboclos <strong>und</strong> Abenteurern<br />

aus der halben Welt <strong>ein</strong> Team zusammen<br />

schweißen, alles unter den klaren Vorstellungen<br />

Fords reformistischen Ideen von Hygiene <strong>und</strong><br />

Moderne. Er will der Welt <strong>ein</strong>e Art futuristischer<br />

Modellstadt vorstellen <strong>und</strong> stattet deshalb s<strong>ein</strong>e<br />

Schöpfung mit aller nötigen Infrastruktur aus.<br />

Angestellten <strong>und</strong> Arbeiter bekommen<br />

Krankenhäuser <strong>und</strong> Kirchen, ihre Kinder Schulen<br />

<strong>und</strong> zum Wohnen werden ihnen die vielen<br />

schmucken, fast identischen Holzhäuser im<br />

amerikanischen Stil zur Verfügung gestellt.<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 896

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