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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Über den grünen See<br />

Stecke kühn die Hand ins Nass. Lauwarm <strong>und</strong><br />

gischtig bräunlich springt es mir perlend durch die<br />

Finger. Körperwarm. Als Kind sagten wir so warm<br />

wie Pipi! Das Wasser ist transparent-bräunlich,<br />

von <strong>ein</strong>zelnen, um Grade kühleren Strömen<br />

durchzogen, wie das erste ausgiebige Bad,<br />

herrlich erfrischend, bestätigt. Man wäscht sich<br />

für kurze Zeit die ganze, ständig präsente Hitze<br />

davon, besonders, wenn man sich der leichten<br />

Brise aussetzt, ohne sich abzutrocknen.<br />

Die absolut unverhältnismäßigen Proportionen<br />

erschrecken noch immer. Werden im blechernen<br />

Winzboot die endlosen Wasser des Grünen Sees<br />

durchqueren. S<strong>ein</strong>e Ufer sch<strong>ein</strong>en kilometerweit<br />

weg. Der Name Grüner See ist eigentlich<br />

irreführend. Das riesige Wasser ist <strong>ein</strong> Teil des<br />

Tapajós, der <strong>ein</strong> paar Kilometer weiter unten<br />

schon mit dem Amazonas zusammenfließt. Still<br />

liegt er vor uns, der leise Wind kräuselt <strong>ein</strong> paar<br />

stetige, launige Wellen. Man würde das<br />

Restaurant auch per Auto erreichen. Aber per<br />

Boot ist es romantischer. Die wirklichen Wege im<br />

Amazonas sind Wasserwege. Die Fahrt dauert<br />

weniger lange als das Winzboot <strong>und</strong> die<br />

Sichtdistanz befürchten ließen. Gott sei Dank<br />

stecken m<strong>ein</strong>e Füße in gut sitzenden<br />

Plastiksandalen, denn hie <strong>und</strong> da springt <strong>ein</strong>e<br />

schlecht geschnittene Welle ins Boot, netzt nicht<br />

nur m<strong>ein</strong>e B<strong>ein</strong>e. Nur für m<strong>ein</strong>en <strong>Foto</strong>apparat<br />

hätte ich wohl doch besser <strong>ein</strong>e Plastiktüte<br />

mitgebracht.<br />

Endlos flach <strong>und</strong> gleichförmig ziehen die fernen<br />

Ufer vorbei. Springen vor, ziehen sich zurück.<br />

Schon haben wir die erste Landzunge umfahren.<br />

Der Fahrer hält sich geschickt in relativer<br />

Ufernähe. Da ist die Strömung schwächer.<br />

Trotzdem sind die Wasser endlos. Dankbar zurre<br />

ich die orangefarbene Schwimmweste noch etwas<br />

fester. Erinnere mich an Sonnenaufgänge, bei<br />

denen sich die Sonne, zuerst nur <strong>ein</strong> f<strong>ein</strong>er, rosa<br />

Streifen über dem endlos flache Horizont, wie <strong>ein</strong>e<br />

goldene Münze in Minutenschnelle über die graue<br />

Messerklinge hochschiebt, bald zum glühenden<br />

Sonnenball mutiert. Schon schimmert der Bug des<br />

Schiffes in warmem Licht. An den dichtgrünen<br />

Ufern hebt sich hie <strong>und</strong> da <strong>ein</strong> gefallener<br />

Baumriese gespenstig-malerisch ab gegen die<br />

weißsandigen Strände, die die Ufer säumen. Im<br />

Januar liegen sie, es ist Niederwasser, fast ganz<br />

frei, <strong>ein</strong> dekoratives, gezacktes Bord.<br />

Bald liegt die Hälfte des Sees hinter uns. Noch<br />

erschien er mir endlos. Die Sonne steht schon<br />

ansehnlich hoch, als der Bootsführer da, weit weg,<br />

wage ins gleichförmige Baumdickicht zeigt. Da, da<br />

r<strong>ein</strong> müssen wir. Er kennt sich aus, für mich sind<br />

die Ufer, die zurückweichen <strong>und</strong> vorspringen, auch<br />

mal zwanzig, dreißig Meter hoch über den<br />

Wasserspiegel erheben, erschreckend<br />

gleichförmig, völlig identisch. Anders als auf dem<br />

Amazonas gibt es hier k<strong>ein</strong>e schwimmenden<br />

Grasinseln, die lautlos, intensivgrün <strong>und</strong> stetig<br />

vorbeiziehen. Schon tut sich vor uns <strong>ein</strong> so<br />

genannter „Furo“, <strong>ein</strong> Loch im Gestrüpp auf. Ein<br />

kl<strong>ein</strong>er, sich immer mehr verschließender<br />

Zugang. Bald schon versandet er. Nach <strong>ein</strong> paar<br />

h<strong>und</strong>ert Metern gilt es den Motor hochzulegen.<br />

Schon schiefern wir über den Gr<strong>und</strong>. K<strong>ein</strong><br />

Problem. Das flache Boot etwas auf den Sand<br />

gezogen <strong>und</strong> schon folgen wir dem kaum<br />

sichtbaren Pfad mitten ins grüne Nichts. Der<br />

Bootsführer kennt den Weg. Nach guten zehn<br />

Minuten Fußmarsch, immer dem stillen,<br />

sumpfigen Bächl<strong>ein</strong> nach, steht es, malerisch an<br />

<strong>ein</strong>em stillen, offenen Teich gelegen, plötzlich<br />

vor uns, funktionierend, <strong>ein</strong> paar Tische sind mit<br />

anderen Gästen besetzt. Der Bootsführer will<br />

zurück <strong>und</strong> so ver<strong>ein</strong>baren wir mit ihm <strong>ein</strong>e neue<br />

Uhrzeit. Er wird uns hier wieder abholen.<br />

Die Fischsuppe wird etwas dauern. Zeit genug,<br />

den Ort <strong>und</strong> die Umgebung zu erk<strong>und</strong>en.<br />

Bew<strong>und</strong>ere die kitschig illustrative Wandmalerei.<br />

Sie nimmt die ganze Wand, <strong>ein</strong>, die die Küche<br />

von der Gaststube, eigentlich nicht viel mehr als<br />

<strong>ein</strong> breites Dach, abtrennt. Sie zeigt <strong>ein</strong>en<br />

Fantasi<strong>ein</strong>diostamm, wohl die „Borari“, die hier<br />

in Alter do Chão heimisch sind, bei alltäglichen<br />

Verrichtungen. Ein großer, sandbedeckter freier<br />

Platz, im Hintergr<strong>und</strong> das Gem<strong>ein</strong>schaftshaus,<br />

palmstrohgedeckt <strong>und</strong> fensterlos. Es ist<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 194

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