Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Curupira, der Beschützer des Regenwalds
Aber halt! Was sind das denn für Fußabdrücke da
im Sand? Kinderfüße... Von der Größe her
könnten sie gar Curupira gehören!
Curupira gilt als Wächter der Wälder, der
endlosen Tropenwälder. Er ist ein kleiner
Indiojunge mit Feuerhaar, einem Auge mitten auf
der Stirn und blauen Zähnen. Es gibt Leute, die
schwören, ihn schon leibhaftig getroffen zu
haben. Mitten im Dschungel, in einer
Notsituation, das leuchtende Haar in Flammen.
Normalerweise macht er sich aber gerne
unsichtbar. Praktischerweise sind ihm seine Füße
nicht wie uns nach vorne, sondern nach hinten
gewachsen. Das verwirrt alle, die ihn verfolgen
möchten. Denn seiner Spur kann man nicht
trauen, seine verkehrt herum angewachsenen
Füße hinterlassen eine trügerische Fährte.
Außerdem soll er so schnell laufen können, dass
es keine Menschen gelungen sei, zu ihm
aufzuschließen.
Wie auch immer, er ist eine Art Wächter des
Tropenwaldes. Von komplexer Persönlichkeit, gilt
er als Beschützer all derer, die sich dem Wald mit
heeren Motiven nähern. Wird aber zum
fürchterlichen Rächer, will man sein Reich
zerstören. Er verwandelt sich, was für eine
Täuschung, in eine Jagdbeute. Lockt damit die
unglücklichen Jäger immer tiefer in den Wald
hinein. Einmal verloren, stößt er schauerliche
Pfeiftöne und dumpfe Laute aus, zaubert gar
Traumbilder und Fata Morganas her, bis die
Bösewicht so verwirrt sind, dass sie nur noch in
die Irre gehen, oder noch schlimmer, immer im
Kreis, somit nie mehr aus dem Wald herausfinden.
Wer ihm trotzdem entkomme, so geht die Saga,
lasse einen Teil seines Selbsts im Urwald zurück.
Werde ein anderer, für immer Gezeichneter.
Es gibt nur ein einziges Mittel ihn aufzuhalten.
Merkt man, dass er einem verfolgt, wirft man ein
kunstvoll kompliziertes Geflecht aus in sich
verschlungenen Fäden hinter sich auf den Weg. -
Diesem Köder kann er nicht widerstehen! Wird
sofort versuchen, das komplizierte Gewirr zu
entwirren, worüber er – Gott sei Dank – vergisst,
einem zu folgen.
Zwar nur eine der vielen schönen Lenden der
Indios, aber im Kern allzu wahr - der komplexe
Regenwald heischt Respekt. Wer schon Mitten
drin war, wo es so gleichförmig ist, dass man sich
problemlos verlieren kann, erzählt von heiligen
Schaudern, die auch Handy und GPS, falls sie
überhaupt funktionieren, es gibt zu viele
Funklöcher, nicht abwenden. Nicht zu vergessen
all die kleinen, ekligen Insektenstiche, Kratzer,
kleinen Schnittwunden, Bisse, Schrammen und
Prellungen, die sich langsam entzünden,
schrecklich jucken, die Glieder anschwellen lassen,
wenn man nicht Opfer einer schimmern Infektion
wird. Und dann die Nächte! Die Sonne fällt hier
pünktlich und relativ früh hinter den Horizont.
Dann werde es im Wald drin empfindlich kalt, was
die ständige Feuchtigkeit noch verschlimmere.
Immer wieder werden unvorsichtige,
dummerweise vom Weg abgekommene Touristen
total zerschunden und ziemlich mitgenommen aus
den hiesigen Nationalparks gerettet. Wer es nicht
schaffe, sterbe weder an Hunger noch an Durst,
sagen sie, sondern am nicht ersetzten Verlust
jener Salze, die ständig zusammen mit dem
Schweiß ausgeschieden werden.
Noch ein Grund, sich vor dem Curupira wirklich in
Acht zu nehmen!
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