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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Über das Modern s<strong>ein</strong> <strong>und</strong> die Hässlichkeit<br />

Der Geburtstagskuchen ist gigantisch, <strong>ein</strong><br />

rechteckiges Ungetüm. Der Zuckerguss, babyrosa-farben,<br />

hingebungsvoll verziert er die<br />

Ränder. Die Glückwünsche sind in gelben, schwarz<br />

abschattierten Buchstaben geschrieben <strong>und</strong><br />

gleich darüber, mir bleibt die Luft im Hals stecken,<br />

gibt es das übergroße, perfekt in Zucker<br />

gedruckte Abbild des Geburtstagskindes, <strong>ein</strong><br />

strahlendes Lächeln auf dem Kindergesicht!!!!<br />

Gott sei Dank, die <strong>ein</strong>zige Kerze steckt diskret im<br />

rechten Eck des süßen Werkes, wohl der letzte<br />

Schrei des trendigen Zuckerbäckers. Lieber Gott,<br />

mache, dass sie mir nur vom orangen Kleidchen<br />

auftischen! Könnte es nicht über mich bringen,<br />

<strong>ein</strong>en Teil der rosig zuckergussenen Wange oder<br />

gar <strong>ein</strong> Auge zu kannibalisieren. Schon <strong>ein</strong>e<br />

Strähne des lockigen Haares des lieben<br />

Geburtstagskindes herunterzuschlingen, würde<br />

mich was kosten.<br />

Immer wieder gibt es Torten, die <strong>Foto</strong>s zieren.<br />

Das nächste Mal verschmähe ich das Bild, <strong>ein</strong>e<br />

Homenage, das sorgfältig von steifen Cremeringeln<br />

gesäumt die Riesentorte ziert. Es ehrt jene<br />

Matriarchin, die hier im Dorf <strong>ein</strong>e große Rolle<br />

spielte, <strong>und</strong> nun aus den Himmeln auf das Werk<br />

herunterschaut. Auch dem kollektiven <strong>Foto</strong> der<br />

Zumbatänzerinnen zeige ich die kalte Schulter.<br />

Bemerke, als ich mich, natürlich hinter vorgehaltener<br />

Hand, leise <strong>und</strong> diskret beschwere,<br />

dass k<strong>ein</strong>er m<strong>ein</strong>e Skrupel versteht – Neuheiten, je<br />

ausgefallener, desto lieber, kommen an - je<br />

glänzender, ausgefallener, blumiger, farbiger <strong>und</strong><br />

natürlich am liebsten aus Plastik <strong>und</strong> so richtig<br />

schön künstlich sind wirklich gesucht!<br />

L<strong>ein</strong>enbetttücher? Ewig gestrig, ererbt <strong>und</strong> damit<br />

schon etwas fadensch<strong>ein</strong>ig, gehören immer in<br />

m<strong>ein</strong> Tropengepäck. N<strong>ein</strong>, nur wer mag schläft,<br />

krumm wie <strong>ein</strong>e Banane, in der immer kühleren,<br />

aber gewöhnungsbedürftigen Hängematte.<br />

Unglücklicherweise verweigert m<strong>ein</strong> Körper nicht<br />

nur Hängematten, sondern auch die ach so<br />

moderne, synthetische Bettwäsche, die sich so<br />

gerne klitschig, klebrig-heiß auf die Haut klebt, sich<br />

beim Hin <strong>und</strong> Her wälzen als effizienter Brutkasten<br />

entpuppt. Stelle ich die Klimaanlage an,<br />

verwandelt sie die Betttücher sogleich in eisige<br />

Klitschfallen. Wie w<strong>und</strong>erbar kühl ich da in<br />

m<strong>ein</strong>em r<strong>ein</strong>en L<strong>ein</strong>en schlafe!<br />

Das magische Bermudadreieck - modern-neupraktisch<br />

verfolgt mich. Es gilt als überaus schick<br />

oder praktisch?, die plastiküberzogenen Sitze des<br />

neuen Autos nicht zu entfernen. Stur besitzt man<br />

die sich unweigerlich öffnenden Spalten, die<br />

Plastikreste, die sich als <strong>ein</strong>zelne Streifen herunter<br />

schälen um zum Schluss total zerfleddert<br />

herunterhängen. Nur Taxifahrer <strong>und</strong> Buschauffeure<br />

sitzen auf luftigen Holzperlensitz<strong>ein</strong>lagen,<br />

die elegant den direkten Kontakt mit dem ach so<br />

praktischen Plastik vermeiden.<br />

Schlimmer als praktischer Plastik wohl nur das<br />

allgegenwärtige Kunstleder. Sie haben es erraten,<br />

natürlich fast immer in strahlendem Weiß! Meiden Sie<br />

die wolkenweichen Sofas, besonders wenn Sie Shorts<br />

tragen, denn es besteht die Gefahr, ganz<br />

<strong>ein</strong>fach darin festzukleben! Haut <strong>und</strong> ultra-heißer<br />

Plastik <strong>ein</strong>e <strong>ein</strong>zige, klatschige Masse, wenn Sie darin<br />

nicht buchstäblich ertrinken, wenn sich unter Ihren<br />

Schenkeln wahre Seen unschuldigen Schweißes<br />

ansammeln. Aber auch gutbürgerlicher Schick in Form<br />

velourüberzogener Stuhlflächen ist wenig zu<br />

empfehlen, denn er wurde praktischerweise mit <strong>ein</strong>er<br />

millimeter-dick-transparenten Plastikfilmschicht<br />

versiegelt. Strohgeflechtsitze sind total außer Mode!<br />

Die gehören, wie beim Theater Amazon, ins Museum,<br />

wurden in den 70 Jahren des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

gegen den international obligaten roten Theatervelours<br />

ausgetauscht. Das Argument? Die neu<br />

installierte Klimaanlage hätte das Stroh ausgetrocknet<br />

<strong>und</strong> gebrochen.<br />

Lösen die allgegenwärtigen Klimaanlagen, langärmlige<br />

Jacke (!)nicht vergessen, sie sind unweigerlich auf<br />

eisige 17 Grad <strong>ein</strong>gestellt – <strong>ein</strong> Problem, schaffen aber<br />

tausend andere. Viele können sich <strong>ein</strong>fach nicht<br />

erklären, woher all ihre Wehwehchen kommen. Wenn<br />

sie nur endlich geräuschlose Ventilatoren erfinden<br />

würden, wären m<strong>ein</strong>e Nächte erfrischender. Denn Zug<br />

verabscheuen die Moskitos abgr<strong>und</strong>tief.<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 502

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