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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Vom Salz<br />

Das scharf geschliffene Messer schneidet<br />

regelmäßige Furchen in den Fisch, es ist <strong>ein</strong> lang<br />

gezogener, flacher Aruan. Ein traditionelles<br />

Muster aus längs <strong>und</strong> Quer<strong>ein</strong>schnitten, die<br />

Erfahrung diktiert den Abstand <strong>und</strong> die Tiefe<br />

derselben. Die Kerben bereiten den Fisch aufs<br />

Einsalzen vor. Einpökeln, die uralte Konservierungsmethode<br />

wird hier auf dem amazonischen<br />

Fischmarkt tagtäglich praktiziert. Die Furchen<br />

erlauben dem Salz ganz tief ins Fleisch des Fisches<br />

<strong>ein</strong>zudringen <strong>und</strong> da s<strong>ein</strong>e dörrende Wirkung zu<br />

entfalten. Nun greift s<strong>ein</strong>e <strong>ein</strong>e Hand tief in die<br />

Tüte mit dem Salz. Reibt es großzügig über das<br />

Fleisch, knetet es richtig tief r<strong>ein</strong>, bringt es in jede<br />

Spalte. Der Rest wir der Osmose überlassen. Die<br />

entzieht dem Fisch alles Wasser <strong>und</strong> unterbindet<br />

auch gleichzeitig die Zerstörungsaktion jeglicher<br />

Mikroorganismen. Der ganze Prozess wird von<br />

Sonne <strong>und</strong> Wind unterstützt <strong>und</strong> verstärkt.<br />

Geschockt, sprachlos bin ich nur das erste Mal.<br />

Dann nämlich, wenn der ältere Mann in der<br />

weißen Kittelschürze, <strong>ein</strong>e Matrosenmütze auf<br />

dem Haar noch <strong>ein</strong>en der vielen gesalzenen<br />

Fische wendet. Die sind, bunt gemischt, hier auf<br />

dem schmalen Bürgersteig <strong>ein</strong>er Zufahrtsstraße<br />

zum Hafen zum Trocknen ausgebreitet. Verteilen<br />

sich auf <strong>ein</strong> paar Wellpappen <strong>und</strong> <strong>ein</strong> paar<br />

hochkannt aufgestellte Styroporkisten,<br />

normalerweise zum Transport von Fisch<br />

verwendet. Das Klima ist gerade günstig. Die<br />

Sonne brennt unbarmherzig.<br />

So war es immer schon <strong>und</strong> wir noch <strong>ein</strong>e gute<br />

Weile weitergehen. Bis dann auch hier die<br />

Ges<strong>und</strong>heitsbehörde der Tradition irgendwann<br />

irgendwelche Schranken setzt. K<strong>ein</strong>e Angst. Gegen<br />

das Salz hat k<strong>ein</strong>e Bakterie, k<strong>ein</strong>e Fliege, höchstens<br />

der Fressinstinkt der Aasgeier <strong>ein</strong>e Chance. Riesige<br />

Fische wie der Pirarucu werden regelrecht<br />

aufgefaltet. Nur so ist gewährleistet, dass das Salz<br />

s<strong>ein</strong>e Magie zaubern kann <strong>und</strong> der Fisch auch bei<br />

tropischen Temperaturen gut durchtrocknet -<br />

knochenhart, monatelang haltbar.<br />

Das Salz würzt nicht nur, trocknet <strong>und</strong> pökelt,<br />

sondern vollbringt andere kl<strong>ein</strong>e W<strong>und</strong>er,<br />

überlebenswichtig in den Zeiten Vor-Kühlschrank<br />

oder wenn man, wie wir, am Ende der Welt lebt,<br />

wo uralte Traditionen noch immer überdauern.<br />

Lerne von m<strong>ein</strong>er Hausangestellten, dass <strong>ein</strong><br />

frischer Fisch, den ich heute kaufe, aber erst<br />

morgen zubereiten will, mit <strong>ein</strong>er f<strong>ein</strong>en<br />

Salzschicht bedeckt, auch im Kühlschrank<br />

w<strong>und</strong>erbar frisch bleibt <strong>und</strong> bis zum nächsten Tag<br />

nicht den geringsten fischigen Geruch entwickelt.<br />

Das Salz konserviert <strong>und</strong> verstärkt gar s<strong>ein</strong><br />

Eigenaroma. Das wissen auch die Fischverkäufer.<br />

Fische, die nicht mehr ganz taufrisch sind,<br />

schwimmen in <strong>ein</strong>e Salzlauge. Die konserviert ihn<br />

auch ohne Eis oder Kühlschrank noch für <strong>ein</strong> paar<br />

Tage.<br />

Interessanter nur das Fischmehl, „Piracui“. Eine<br />

pre-cabralianische Methode, von der indigenen<br />

Bevölkerung entwickelt, die es ihnen erlaubte,<br />

den Fisch auch ganz ohne Salz über mehrere<br />

Monate zu konservieren. „Piracui“ wird hier, es<br />

ist voller kl<strong>ein</strong>er Knochenteile <strong>und</strong> Gräten <strong>und</strong><br />

hat den typischen Geruch <strong>ein</strong>gesalzenen Fisches,<br />

auf dem ganzen Markt verkauft. Es gehört<br />

unbedingt zu m<strong>ein</strong>er Notration, mit der ich<br />

immer <strong>ein</strong>e leckere Suppe oder Fischbällchen<br />

zaubern kann. Gewonnen aus verschiedenen<br />

billigen Fischen, hinter vorgehaltener Hand sagen<br />

sie auch aus Krokodilen, wird das Rohmaterial,<br />

der Fisch zuerst gut durchgegrillt, ja fast<br />

getrocknet. Dann wird es im Mörser zerstoßen<br />

<strong>und</strong> an der Sonne weiter getrocknet, wie seit<br />

Urzeiten schon.<br />

Will man davon kaufen, empfiehlt sich <strong>ein</strong>e<br />

kl<strong>ein</strong>e Kostprobe, da gleich vor Ort….. .<br />

Schauerlicher wohl nur jene Begegnung der<br />

älteren Dame mit deutlich indigenen Zügen, die<br />

ihren Zeigefinger an dem riesigen, schon<br />

<strong>ein</strong>gesalzenen Fischgerippe rieb, ihn sich in den<br />

M<strong>und</strong> steckte <strong>und</strong> dann gutgeheißen zwei Kilo<br />

davon kaufte. Was genauso wie die riesigen<br />

Köpfe großer Speisefische, auch die gelten als<br />

Delikatesse, gar nicht etwa billig verkauft wurde!<br />

Auch Shrimps, auf dem Markt werden sie, in<br />

riesigen, rosafarbenen Haufen nach Größe<br />

sortiert, von mehreren Verkäufern angeboten,<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 749

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