Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Amazonische Savannen
Karg, aber faszinierend ist ein eher unbekannterer
Teil des Amazonas. Eine Art „Catinga“, Halbwüste,
mit einer lockeren, komplett an die sandigen
Böden angepassten Fauna, mit einer eher
buschigen, stachligen Vegetation, die eine eigene,
karge Schönheit offenbart. Nicht nur, dass es
monatelang nicht regnet, auch der sandige Boden
verlangt, dass sich die ganze tropische Natur
seinen Bedingungen unterwirft. So entsteht eine
offene Bewaldung, je nach Geografie und lokalen
Verhältnissen gibt es mittleren oder nur niedrigen
Baumbestand und auch niedriges Buschwerk.
Dieser Amazonas wird technisch als „Cerrado“
oder Savanne bezeichnet. Hier werden viele
Bäume nicht mehr als 30 Meter hoch. Die
Baumkuppen bilden, ganz anders als im dichten
Regenwald, kein geschlossen verflochtenes Dach.
So gelingt es den Sonnenstrahlen mühelos bis
zum Boden vorzudringen. Wo der nährstoffarme
Boden es zulässt, wuchern niedere Kriechpflanzen,
fein ziselierte Farne und die
unterschiedlichsten, genügsamen Moose. Hie und
da tut sich gar eine sandige Lichtung auf. Da
wächst die “Maria fecha a porta” Maria-schließtdie-Tür.
Legt man einen Finger in die offenen
Blätter der kriechenden Mimose, falten sie sich
bei der geringsten Berührung hoch. Kleben die
filigranen Blättchen ganz dicht zusammen, eins
aufs andere. Hier fühlt sich der Cashewbaum
genauso zu Hause wie der Murici, eine kleine
gelbe Frucht, die eigenartig fettig ist und leicht
nach Käse schmeckt. Es gibt wilde Maracujás,
deren rote Blüten von weitem grüßen und die
unterschiedlichsten Bromelien, die sich nicht an
Bäume klammern, sondern im sandigen Boden
wurzeln. Faszinierend sind die verschiedenen
parasitären Aufsitzerpflanzen, unter dem
Sammelnamen “Ervas de Passarinho”, sowas wie
Vogelkräuter bedeutet, zusammengefasst. Sie
suchen sich wie die Mistel andere Pflanzen als
Gastwirte, die sie dann anzapfen. Sie produzieren
leckere Früchte, die gerne von den Vögeln
verspeist und damit verbreitet werden. Da wo ein
Klecks Kot hinfällt, sprießt eine neue Pflanze. Sie
besetzen jede nur mögliche Stelle, klammern oder
hängen sich waghalsig an Äste und Wurzeln.
Beginnen unscheinbar als kleine Abszesse, aus
denen sich bald würgende, umschlingende
Sträucher bilden.
Hoch in den Ästen kann man auch die
unwahrscheinlichsten Nester und Bauten finden.
Der „Japim“, ein schwarzer Vogel mit
eidottergelben Streifen hängt seine Säcke, in
mühsamer Flechtarbeit zusammengebaut, kleine
Kunstwerke, die oft sie ganze Kolonien bilden, in
die schaukelnden Äste. Termiten, Wespen und
Ameisen kleben ihre Bauten, ausgefallene Gebilde,
gut getarnte, blasenartige Hügel oder Gebilde die
an Stalaktiten erinnern und mit unzähligen
gedeckten Straßen verbunden sind, in die Bäume.
Mit viel Glück und Geduld kann man gar auch hoch
oben eine der riesigen Echse entdecken, oder im
Unterholz kleine Eidechsen beobachten.
Blattschneiderameisens
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