Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Vom magischen Bad voller Düfte oder “Cheiro cheiroso”
Es war einmal, damals, in den guten alten Zeiten.
Da hatte das Jahr noch zwei Höhepunkte, beide
umhüllt von Wohlgerüchen, den Wohlgerüchen
eines „Banhos de Cheiro“, eines Duftbades. So ein
Bad voller Düfte brachte Glück und Segen und
verschloss gleichzeitig den Körper. Ein Ritual: Im
Juli, um den Tag des heiligen São João (24.6.
Johannes der Täufer) und zum Jahreswechsel,
nahmen alle ihr duftendes, gesegnetes Bad. Es
gibt Quellen, die sagen, dass das Ritual des
Johannesbades ursprünglich aus Portugal
stamme. Da die indigene Bevölkerung aber eine
intime Beziehung zur Reinigung und ein tiefes
Faible für gute Gerüche hat und von deren
magischer Kraft überzeugt ist, wird sich alles in
einem multikulturellen Schmelztiegel vermischt
haben.
Pünktlich zu den Festen tauchten und tauchen
auch heute noch in den Straßen an jeder Ecke
ambulante Verkäufer auf. Sie bieten aus Kesseln,
Körben oder von türblattgroßen, zweirädrigen
Ziehkarren all das an, was gut riecht, den bösen
Blick abhält und gute Geister anzieht: Rosmarin,
Lavendel, Patchuli, Priprioca, Casca Preciosa,
Cumaru (Tonkabohne), Myrre und Catinga de
Mulata. Früher kündeten sie sich mit ihrem Ruf
“Cheiro cheiroso! Cheiro cheiroso!” (Duftender
Duft!) von weitem an.
Genauso wie bei den Traditionen des Duftbades
weiß auch bei den Düften keiner mehr so genau,
welche lokal sind und welche übers Meer hierher
fanden, auf ihrem langen Weg köstlich verschimmelten
wie das Patschuli mit seinen köstlich
fauligen Noten, antik, verstaubt und immer
dominant. Es wurde zwischen die kostbaren Stoffe
gelegt, mit dem Ziel die Motten fernzuhalten.
Am Tag des duftenden Bades erinnerte sich jede
Familie an ihre alten, überlieferten Hausrezepte.
Die verlangen, neben den obligaten glückbringenden
Wohlgerüchen, auch immer eine
Portion Magie. Es gilt drei Wurzeln mit drei mal
drei Ästchen zu sieden oder das Duftgebräu muss
sieben Mal mit einem nigelnagelneuen Kochlöffeln
umgerührt werden. Einmal zubereitet,
unterwerfen sich alle Familienmitglieder, ganze
Dynastien, von der Urgroßmutter bis zum Baby,
dem Ritual des „Banho de cheiro“, jeder für sich
oder gar einem kollektiven. Dazu verwandelten die
Familien, die es sich leisten konnten, ihren
Swimming-Pool in eine Art Glücks- oder gar
Jungbrunnen mit amazonischen Dimensionen.
Füllten ihn mit dem schlammiggrünen,
parfümierten Wasser. Daraus stiegen dann alle
gereinigt, gestärkt und mit geschlossenen Körpern
hervor.
Auch das Haus wurde einem Bad oder einer
Räucherung unterworfen, die die selben Zwecke
verfolgt. Das ganze Haus wird so lange und so
ausgiebig gefegt, gebürstet, gewaschen, bis es
endlich peinlich sauber war. Dann gilt es alle
Fenster und Türen weit zu öffnen, um dann
mithilfe eines Straußes, gebunden aus aromatischen
Zweigen, jenen parfümierten Aufsud in
alle Ecken und Kanten zu verspritzen. Oder es
werden in improvisierten Gefäßen auf glühenden
Kohlen magische Mixturen aus trockenen Kräutern
und Harzen verbrannt, deren Rauch so seine
reinigende Funktion entfalten kann. Beim
Versprühen des Wassers oder dem reinigenden
Räuchern muss darauf geachtet werden, dass nicht
nur alle Türen und Fenster offen sind, sondern es
muss auch vom Hausinnern zu den Türen in
verspritzt oder geräuchert werden. Das erlaubt
den aufgeschreckten, bösen Geistern zu fliehen.
Die guten Geister, magisch angezogen, können
ungehindert eintreten und werden willkommen
geheißen. Unentschieden wankelmütigen Geistern
helfen die Gerüche, sich besser zu orientieren.
Das Ritual des Banho de Cheiro hat bis heute
überlebt. Es soll neuerdings nicht nur in der
Kräuterecke des Ver-o-Peso ein großer Hit sein.
Manche Verkäufer setzten gar auf ein Kit mit
zweierlei Bädern. Das erste wäscht alle negativen
Energien davon, das zweite parfümiert, regeneriert
und lädt mit positiven Energien auf. Es zieht das
Glück an, öffnet die Wege und wer weiß was sonst
noch alles. Ach ja, nicht vergessen: Damit das
Duftbad erfolgreich ist, sollte keine Seife
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