Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Prozession der Fischer zu Ehren von São Pedro, Santarém
Endlich legt die Manelito II ab. In ihrem Bauch
reiht sich der Chor der Sänger und Sängerinnen,
alle Fischer, Mitglieder der Fischerkooperative
Z 20 auf. Schon legt eines der Saxofone klagend
los, die Trompete fällt ein. Die Trommel und die
mächtige Pauke schlagen den Takt. Frei schwingt
sich die ungebildete Stimme über die keine
Menschenmenge. Singt ab Blatt eines der vielen
Lieder zu Ehren des Schutzpatrons São Pedro, des
heiligen Petrus, dessen Tag, den 29. Juni, sie
heute zu Wasser feiern. Lustig flattern die
schwalbenschwänzigen Fähnchen, aus billigem
blauem und weißem Stoff an holzige Stöckchen
genagelt, über die Reling, langsam von Hand zu
Hand über´s Hauptschiff verteilt.
Die Manelito II führt die Prozession zu Wasser an.
Bedächtig nur, zögerlich bekommt der Umzug
mehr Körper, mehr Substanz. Die Tage des
heiligen Petrus scheinen gezählt. Fischer ist kein
erstrebenswerter Brotberuf mehr, es fehlt an
Nachwuchs. Zudem sind viele der Bootsbesitzer
evangelisch geworden, wie es ein anderer
ausdrückt, und jagen damit anderen Mythen
nach. Aber noch sind sie dabei, die São Pedro II,
die Luara I und die Malouvida genauso wie die
Veloso, die Aliança II und auch die Hafenfeuerwehr.
Auch die Calypso Fashon, genauso mit
Schreibfehler, lässt sich nicht lumpen. Die meisten
Schiffe schmücken sich hoch auf dem Dach im
Dreieck mit den traditionellen Wimpeln oder
Papierstreifen. Die winzige Malouvida, nicht viel
mehr als ein Ruderboot mit Motor, ist gar mit
unendlich vielen lamettaglänzenden Streifen
hochgeputzt, überragt von einer Heiligenfigur, von
einer brasilianischen Flagge begleitet.
Zum Schluss fahren im Kielwasser der Manelito II
mehr als 60 weiße, blau abgesetzte Schiffe, Boote
und Bötchen, die meisten festlich geschmückt.
Alle folgen sie der kleinen, holzgeschnitzten Heiligenfigur.
Sie wurde, mit ziemlichem Aufwand,
unter Stoßen und Ächzen ganz nach oben aufs
Oberdeck buxiert. Steht da, stolze Kühlerfigur, nur
von zwei nicht weniger stolzen Männern bewacht
und den beiden Standarten flankiert, hoch oben
über dem mächtigen Steuerrad des Kapitäns.
In weitem Bogen geht es im Konvoi den Kais
entlang, an den gesichtslosen Hochhäusern vorbei.
Soeben fahren wir an der Fischerkolonie vorbei,
wo von einer riesigen Treppe aus viele bunt
gewandete Menschen herüberwinken. Es geht an
der antiken Kirche vorbei, dann hinaus auf den
Fluss, breit wie ein Meer. Schon schneidet der
Konvoi das braungraublaue Wasser, sticht noch
weiter hinaus, da wo sich die blauen Wasser des
Tapajós mit den schlammigen des Amazonas
treffen, nebeneinander her fließen, sich irgendwo,
viel weiter flussabwärts, vereinigen. Noch
unterhalten sich die Chorknaben und -mädchen
über Gott und die Welt, tragen die strahlend roten
Chorgewänder zusammengefaltet in den Händen.
Das Kruzifix und die Glocken liegen ungebraucht
auf einem Brett. Bald schon, schon sind auf dem
Rückweg, werden sie sie überstreifen. Sie helfen
sich gegenseitig. Schon ziehen sie sich die
Chorhemden über den weißen Kutten zurecht.
Einer steckt das Kruzifix hoch auf eine schmucklose
Stange. Ein letztes Foto mit dem gezückten
Handy.
Auf der schmalen Bank hat sich das kleine
Mädchen mit dem festlichen roten Satinkleid
schon hingelegt, zu viel Fahrtwind, Hitze und
Sonne. Die Großmutter mit den indigenen
Gesichtszügen streicht ihr leise das Kleidchen
zurecht, am Arm die pinkfarbene Kindertasche in
Tierform.
Wieder am Kai folgen sie alle der kleinen,
holzgeschnitzten Heiligenfigur, nach einigem hin
und her wieder auf die Straße buxiert. Am Kai
sorgt gar eine Politesse in engem, grauem
Uniformrock und Bluse für Ruhe und Ordnung.
Der Aufwand lohnt kaum; zur Prozession sind
fast nur Alte, Frauen und Kinder gekommen.
Stolz warten sie auf die kleine Figur. Aber vorher
kommen noch die Bannerträger, es sind zwei
bestickte Banner, einer der Cooperative, der
andere die brasilianische Nationalflagge. Dann
kommt auch das blau-weiße, einseglige
Miniaturboot. Es ist liebevoll und naturgetreu
nachgebaut, mit einer einzigen Blumengirlande
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