Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Im Hinterhof
In jenen verlotterten, vergessenen Häusern der
Altstadt, jenen, die noch Türklopfer haben,
grünspanige Händchens mit gerüschter
Manschette, soll es sie noch geben. Einem wie
dieses hier: Die Hausfront direkt an den mit
riesigen rechteckigen Kalksteinplatten
gepflasterten Bürgersteig gebaut, der
abblätternde Verputz, ein fahles Rosa. So dünn
aufgetragen, das sich an vielen Stellen ältere
Farbanstriche, wieder Geltung verschaffen, ein
bleiches Türkis-Hellblau, gar ein kräftiges Ocker.
Starke Läden verbarrikadieren die doppelten
Fenster, oben Glas, unten Venezianas. Die
Haustür ewig hoch. Schließt mit einem
geschwungenen Gitter, unverglast, ab. Öffnete sie
sich unerwartet, ein Hund will Gassi gehen, allein
natürlich, ein Bewohner Zigaretten kaufen, gäbe
es, wer weiß, ganz hinten, da wo der Korridor
endet, einen jener kühlen, funktionellen
Hinterhöfe. Kleine, nostalgische Oasen inmitten
einer pulsierenden Stadt. Schmucklos, die Erde
festgestampft, purer Sand, jeden Tag aufs Neue
mit dem metallenem Rechen, ihm fehlt der dritte
Zahn von Rechts, peinlich gesäubert. Kein Blatt
des einzigen Baumes übersehen. Er steht ganz
hinten, Mango oder Avocado, gar eine Caneleira,
ein Zimtbaum. In seinem Schatten kann man sich
in der Hängematte in einen kräfterestaurierenden
Mittagsschlaf schaukeln, gleich neben der
steinernen Bank. Sie lädt zum Meditieren über die
Mäander des Lebens ein. Ermöglicht es, vor den
größten Hitzen, die das Gehirn erweichen und den
Körper dumpf und die Bewegungen schläfrig
machen, zu flüchten.
Ästhetik jeglicher Art ist der Natur solcher
Hinterhöfen völlig fremd. Sie kultivieren die
Zufälligkeit, das Ländlich-Rustikale. Auch das Grün
gedeiht von Ungefähr. Spontan, eher verschont als
gepflanzt, übersehen, wie so vieles hier. Keiner will
in seinem Hof einen jener geometrischen Parks,
einen Garten gar, die nur den Konventionen
genügen, zum Herzeigen dienen. Die überlässt
man den öffentlichen Organen oder kultiviert sie
im zubetonierten Eingangsbereich des Hauses, wo
die wenigen Töpfe und Zierpflanzen hinter Gittern
gefangenen sind.
In der gleichgültigen Öde des Hinterhofs, ein
Anhängsel des Hauses nur, gar ein später dazu
gekauftes, umfunktioniertes leerstehendes
Grundstück, macht jeder, was und wie er will und
sei es nur dazu da, sich ein paar Hühner und zwei
oder drei Enten, zukünftige Festtagsbraten zu
halten. Andere treffen hier ihre Freunde. Jeder
schaukelt in seinem plastikbeschnürten
Schaukelstuhl, allgegenwärtig in allen Hinterhöfen
Brasiliens. Auf die Kinder wartet eine Wippe.
Immer ist einer da, sie anzustoßen, hoch und
höher, ganz hoch, hoch in die immergrünen
Blätterdecken.
und
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