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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Caboclos, ehemalige, frei gelassene oder frei<br />

gekaufte Sklaven, Indios ohne Stammeszugehörigkeit<br />

<strong>und</strong> <strong>ein</strong> paar Fazendeiros <strong>und</strong> Händler<br />

zetteln ihn an, von den Ideen der Französischen<br />

<strong>und</strong> Amerikanischen Revolution inspiriert. Sie<br />

proben die Unabhängigkeit, denn die Rio-de-<br />

Janeiro-zentrierten Ideen, der Kaiser<br />

ist seit 1808 in die Kolonie geflüchtet, sch<strong>ein</strong>en<br />

ihnen nicht akzeptabel. Der Aufstand greift auf<br />

alle Staaten Grão-Parás, (heute Pará, Amazonas,<br />

Roraima, Rondônia <strong>und</strong> Amapá) über. Es wird<br />

geschätzt, dass mindestens 40 Prozent der<br />

Bevölkerung, oder 30.000 Bewohner bei den<br />

Unruhen <strong>und</strong> Kämpfen getötet wurden.<br />

Schon ab 1840 setzt der Kautschukboom <strong>ein</strong>. Es<br />

ist Charles Goodyear gelungen in <strong>ein</strong>em speziellen<br />

Vulkanisierungsverfahren den Gummireifen zu<br />

entwickeln, der nun die Gummiproduktion <strong>und</strong><br />

damit das ganze Amazonasbecken in den Blick des<br />

restlichen Brasiliens <strong>und</strong> der Welt rückt. Es geht<br />

nun Schlag auf Schlag. 1866 geht die Schifffahrt<br />

auf dem Amazonas in die Hände der Engländer<br />

<strong>und</strong> Amerikaner über. Nach 1877 emigrieren<br />

Millionen von „Nordestinos“, besonders aus Ceará<br />

im brasilianischen Nordosten in den Amazonas,<br />

fliehen vor den schrecklichen Dürren, unter<br />

denen ihr Staat immer wieder leidet, werden vom<br />

riesigen Ungeheuer Tropenwald verschlungen,<br />

<strong>ein</strong>fach absorbiert, höchst willkommen als<br />

„Seringeirios“, Gummizapfer, <strong>ein</strong>e Art<br />

Unterh<strong>und</strong>e, auf der untersten Stufe der<br />

Produktionskette. Die „Drogas do Sertão“, die<br />

Gewinnung von Medizinalkräutern, Andiroba <strong>und</strong><br />

Copaibaöl, wohlriechenden Samen wie Cumarú<br />

<strong>und</strong> Pelze wilder Tiere werden nebensächlich, nur<br />

Jutte <strong>und</strong> Paranüsse, nach Europa, besonders nach<br />

Deutschland exportiert, behaupten sich,<br />

neben der Viehzucht, als Neben<strong>ein</strong>kunftsquellen.<br />

Als Stadt der Mangobäume stilisiert, <strong>ein</strong>es der<br />

Symbole Beléms, zur Hochblüte des Kautschuks<br />

auf Geheiß des damaligen Bürgermeisters Antônio<br />

Lemos angepflanzt, finden sich überall, beschatten<br />

den Verfall <strong>und</strong> die Nachlässigkeit. Lemos<br />

konstruiert jene wohlhabende, reiche Stadt, die<br />

bald aus allen Nähten platzt. Immer mehr<br />

Ausländer, Portugiesen, Spanier, Chinesen,<br />

Franzosen quellen hier aus den Schiffen. Auch<br />

viele Japaner kommen über die Meere. Sie bilden<br />

die zweitgrößte japanische Kolonie Brasiliens,<br />

Libanesen <strong>und</strong> Syrier strömen herbei. Lemos will<br />

hoch hinaus. Modernisiert die von Malaria- <strong>und</strong><br />

Gelbfieberepidemien geplagte Stadt, passt sie<br />

europäischen Standards an. Das angestrebte<br />

Vorbild ist nichts weniger als das kosmopolitische<br />

Paris. Der Sanitätsarzt Oswaldo Cruz, er hat schon<br />

Rio de Janeiro mit rigorosen sanitären<br />

Maßnahmen vom Stigma der todbringenden<br />

Tropenkrankheiten befreit, saniert nun Belém. Es<br />

wird zum Hauptumschlag <strong>und</strong> -verladeplatz für<br />

die Gummiballen, die nach Europa <strong>und</strong> USA<br />

verschifft werden <strong>und</strong> ihr strenger Geruch soll<br />

die halbe Stadt verpestet haben. Lemos lässt all<br />

die Boulevards <strong>und</strong> Kioske bauen, den „Bosque“,<br />

<strong>ein</strong> angenehm kühler <strong>und</strong> gut gepflegter Ort,<br />

halb Zoo, halb Park, bis heute von vielen Familien<br />

besucht, sorgt für elektrisches Licht <strong>und</strong> die<br />

ultramoderne Straßenbahn. Die neu ausgerufene<br />

brasilianische Republik, die Pará <strong>ein</strong>en größeren<br />

Anteil am Gewinn des Kautschuks zugesteht,<br />

hilft. 1901 wird die aus England importierte<br />

Eisenkonstruktion des „Ver-o-peso“, des<br />

zentralen Marktes errichtet. Der Name „Ver-opeso“<br />

(Sieh das Gewicht) stammt aus der<br />

Kolonialzeit, denn hier wurden alle <strong>ein</strong>geschifften<br />

Waren, um sie richtig versteuern zu können, im<br />

Zollhaus „Haver-o-peso“ gewogen.<br />

Auch die Kultur lässt sich nicht lumpen. Der<br />

berühmte brasilianische Komponist Carlos<br />

Gomes präsentiert in Belém im schönen Teatro<br />

da Paz in den Jahren 1878 <strong>und</strong> 1882 s<strong>ein</strong>e Opern.<br />

Als Kehrseite werden die meisten Konsumgüter<br />

aus Europa <strong>ein</strong>geführt - was aus den Tropen<br />

kommt, galt vor h<strong>und</strong>ert Jahren <strong>und</strong> gilt bis auf<br />

den jetzigen Tag, welch hartnäckiges,<br />

snobistisches Vorurteil, als minderwertig,<br />

zweitrangig. Böse Zungen wissen gar, dass die<br />

Elite, bis heute der Misere relativ gleichgültig<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 581

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