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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Spiegelungen, die Farben, die von Wolkenweiß<br />

<strong>und</strong> Strahlstahlblau bis zu Braungrün, fast<br />

Schwarz wechseln. Die blauen Wasser, die zu<br />

dunklen Tinten werden, wenn sich die Wolken<br />

mal wieder über die Sonne geschoben haben, <strong>und</strong><br />

sich für Minuten nur der schmale Streifen Grün<br />

dunkel in den Wassern spiegelt. Begegne auf<br />

m<strong>ein</strong>em Weg <strong>ein</strong>em Paar verlassener Flip-Flops,<br />

am Rand des kl<strong>ein</strong>en Flüsschens abgestellt, wie<br />

wenn ihr Besitzer mal schnell unter- <strong>und</strong><br />

weggetaucht wäre. Auch <strong>ein</strong> oder zwei <strong>ein</strong>same<br />

Ruderboote, notdürftig auf den Sand gezogen,<br />

bilden malerische Sujets.<br />

Schon holt mich die banale Realität wieder <strong>ein</strong>.<br />

Vor mir <strong>ein</strong>e Art gestrandeter Walfisch, <strong>ein</strong> von<br />

<strong>ein</strong>er effizienten Motorsäge umgehauener<br />

Tropenbaum rottet hier vor sich hin. Streckt s<strong>ein</strong>e<br />

nackten, halb gefallenen Äste <strong>und</strong> ausgerissenen<br />

Wurzeln dramatisch verdreht von sich. Ach ja, der<br />

Bootsjunge sagte, dass sie hier so was wie <strong>ein</strong>e<br />

Straße, sozusagen ins Nirgendwo bauen werden.<br />

Jedenfalls ist <strong>ein</strong>e Schneise, die ganze Böschung<br />

hoch in den niedrigen Wald geschlagen.<br />

Ein paar Schritte weiter, wieder sattes Grün.<br />

Bew<strong>und</strong>ere die vielen, dramatisch weichr<strong>und</strong>en,<br />

tiefen Falten, in die sich die Rinde <strong>ein</strong>es<br />

stattlichen Baumes legt. Kastanienbraun ziehen<br />

sie sich r<strong>und</strong> um den Stamm, laufen zu s<strong>ein</strong>en<br />

Füßen elegant in schwungvollen Wurzelwellen<br />

aus. Schon wieder im Boot öffnet sich der Kanal<br />

langsam, noch <strong>ein</strong>e leichte Kurve. Noch gleiten<br />

wir, vom <strong>ein</strong>zelnen r<strong>und</strong>blättrigen Ruder<br />

geschoben, lautlos zwischen grünen Wänden<br />

dahin, fahren an schon tief im Wasser stehenden<br />

Bäumen vorbei. Immer wieder öffnen sich andere,<br />

kl<strong>ein</strong>ere Kanäle, aber auch der Bootsjunge würde<br />

sich da nicht r<strong>ein</strong> wagen. Zu groß die Gefahr, sich<br />

darin zu verlieren. Der blaue Bug, fast im selben<br />

Blau der Wasser <strong>und</strong> des Himmels, schiebt sich<br />

immer weiter über die Windungen der Bäche,<br />

über uns die riesig saphirblauen Himmel.<br />

W<strong>und</strong>ersame Lianen, über Wirtspflanzen hinüber<br />

gewuchert, bilden absurd pittoreske Gebilde,<br />

geben den überwachsenen Sträuchern <strong>und</strong><br />

Bäumen <strong>ein</strong> gespenstisch plastisches Aussehen.<br />

Lassen ihre langen Triebe oder Luftwurzeln,<br />

überaus unordentliche Bärte, im Wasser schleifen<br />

- kompakte, unberührte, wilde Natur.<br />

Schon öffnet sich vor uns der Grüne See <strong>und</strong> wir<br />

gleiten über die endlose Fläche zurück, fahren<br />

nach Hause. Mitten auf dem See weit weg vor den<br />

Horizont geklebt, <strong>ein</strong>e streifige Wand. Die Sonne<br />

zieht, noch weiter weg, in riesige, zerfetzte<br />

Wolkengebirge Wasser hoch. Die sonnenabgewandten<br />

Seiten der Wolken sind bleigrau. Je<br />

weiter wir fahren, je weiter sch<strong>ein</strong>t sich das<br />

Phänomen von uns zu entfernen <strong>und</strong> schon<br />

übergleißt das Kupferlicht des früh her<strong>ein</strong>brechenden<br />

Abends die Ufer. Sie sind distanziert,<br />

dann wieder ganz nah. Die Schatten werden<br />

überlang <strong>und</strong> noch länger <strong>und</strong> alles, der helle<br />

Sand <strong>und</strong> die endlosen Wälder erröten in<br />

weichwarmen Kupfernuancen. Der bewegte See<br />

glättet sich zum öligen Spiegel, wirft tausendfach<br />

rosa-kupfer-orange Uferböschungen zurück.<br />

Begegnen auf der Heimfahrt mehrmals kl<strong>ein</strong>en<br />

Booten, manche gar ohne Motor, mit drei, vier<br />

Personen an Bord - bin wohl die Einzige, die sich<br />

von soviel Wasser <strong>ein</strong>schüchtern lässt, Respekt<br />

hat, sich immer, ganz leicht nur, davor fürchtet.<br />

Und da, malerisch rosa er- <strong>und</strong> überrötet liegt die<br />

Halbsichel von Alter de Chão wieder vor uns, Zeit<br />

für <strong>ein</strong> letztes lauwarmes Bad, genauso wie die<br />

kl<strong>ein</strong>en Jungen, die genau neben dem Ruderboot<br />

„Pôr-de-Sol“ (!), Sonnenuntergang in denselben<br />

hin<strong>ein</strong>springen, in ihm herumpaddeln, <strong>ein</strong><br />

wahres Fest veranstalten, <strong>ein</strong> paar dunkle<br />

Silhouetten nur vor der Goldmünze, die rasend<br />

schnell <strong>und</strong> strahlendorange <strong>ein</strong>fach hinter den<br />

Horizont fällt. Die leise Abendbrise kämpft <strong>ein</strong>en<br />

aussichtslosen Kampf mit der Tropenhitze, aber<br />

nach soviel Natur werden wir wohl wie die<br />

Wickelkinder schlafen.<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 196

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