Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

schreibt es gleich doppelt an den mächtigen Kiel:
- „Glaube an Gott I“ – ein paar Schiffe weiter, in
blauen Großbuchstaben rund ums Oberdeck
gepinselt: - „Dank Dessen, der mich stärkt, ist alles
möglich“ -. Auch das mächtige Linienschiff kündet
verkaufsträchtig, dass Christus sein General sei.
Der kleine Marktstand, heute geschlossen,
bestätigt in dicken schwarzen Lettern auf
goldgelbem Grund: - „Er lebt“ – „Wer glaubt, wird
Gottes Glorie sehen - Kaufe und verkaufe
Handys.“ Ähnliche Sprüche künden von vielen
Autos, Taxis und Motorrädern. Die bedürfen
Gottes Schutz ganz besonders. Frontscheiben
zitieren: Will es der Herrgott so, macht er es auch.
Der gläubige Motorradfahrer verlässt sich gar auf
Jesus Energie, von zwei Batterien gespendet.
Leicht surreal nur die unerwartete Kombination
auf der Heckscheibe: – „Jesus, das Geheimnis
meines Erfolges! – Zu verkaufen“- , womit
natürlich nur da Auto gemeint ist. Auch für den
Besitzer der immer voll ausgebuchten
Autowaschanlage, praktischerweise da an den
Kais in einer Bretterbude auf den Fluss hinaus
gebaut, ist Christus die einzige Hoffnung. Sie
lechzen nach einem kühlen Wasser? Da drüben,
gleich neben dem Markt, ist die Neue Bar -
Glauben an Gott -.
Leider beschränken und erschöpfen sich auch
diese Sekten, so weit ich es beurteilen kann, allzu
oft im fundamentalistischen Ab- und Ausgrenzen.
Schließen all jene aus, die Nicht-wie-sie-glauben.
Lassen all die Draußen-Gebliebenen, die nicht
Auserwählte direkt in die hölligste Hölle fahren,
auf ewig verdammt. Gottes Reich, voller
Wohlstand, ist leider, leider, wie gerecht und
einzigartig, nur den Rechtgläubigen vorbehalten.
Wer ihren Kulten mit laut schreienden, in Trance
verfallenden, vom Teufel befreiten Massen in Tag
und Nacht anhaltenden Litaneien verkündet und
via Radio und Fernsehen mediengerecht ins Haus
geliefert, erwartet nur das Allerschlimmste.
Wage in keiner Weise zu bezweifeln, dass Ex-
Voten und bezahlte Versprechen, die in der
katholischen Kirche bis heute ihren Platz haben,
den Gläubigen wirkliche Hilfe bringen. Zu viel
echten Glauben und Schilderungen von erfahrener
und durch Banner kund getaner Erleichterung
oder Hilfe habe ich gesehen. Geht es allerdings
ums Gemeinwohl, um echten Dienst am Nächsten,
so sind es interessanterweise auch in diesen
Kirchen die anderen, die Regierung, der Staat, die
die großen, die wirklichen und weltlichen Problem
lösen sollen. Die anderen, die löst jeder, mit
Gottes Hilfe natürlich, nur für sich und für seine
Familie.
Da, an der Ecke, ist das eine neue Diskothek? Nein,
die vermeintliche Diskokugel ist die Welt, die von
schützenden Händen umspannt wird. Noch ein
Tempel. Vielleicht liegt gerade in dieser
Konsumierbarkeit, diesem religiösen
Selbstbedienungsladen, der für jeden etwas
schillernd Farbiges bereit hat, der
flächendeckende Erfolg dieser Heilsbringer, die
besonders in den bedürftigen Schichten viele und
noch mehr Anhänger finden. Austauschbarkeit
spricht auch aus den billigen Plastikanhängetaschen,
in denen die Jungen ihre
Sportsachen mittragen. Auf der einen, der roten
steht: - Jesus Christus gestern heute und für
immer – gleich daneben hängt das selbe Modell in
Schwarz. Die Aufschrift? Playboy.....
Die Frau mit dem schneeweißen Haar jedenfalls,
sie ist soeben nach einer längeren Schiffsreise aus
dem Hinterland angekommen und lässt sich vom
jungen Mann mit dem muskulösen Oberkörper im
schrillen, ärmellosen Shirt über den Hühnersteg
aus dem Schiff lotsen, trägt zwar noch die Jungfrau
Maria gleich auf dem Herzen und überlebensgroß
auf ihrem langen Oberteil, aber vielleicht ist auch
sie schon zu ihnen übergelaufen. Oder ganz
brasilianisch – huldigt allen, den katholischen, den
protestantischen und den vielen anderen Göttern
ein wenig.
Amazonien, ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata 431