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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Die Heilige <strong>und</strong> die Tapioqueiras von Mosqueiro<br />

Die kl<strong>ein</strong>e Kirche, sie schließt den schmucklos<br />

nackten Platz ab, ist weder kunstfertig noch <strong>ein</strong><br />

wichtiges Baudenkmal. Sie erinnert mit ihren zwei<br />

quadratischen Türmen, die das schmale<br />

Mittelschiff fast erdrücken, <strong>ein</strong> wenig an <strong>ein</strong>e<br />

Theaterkulisse, lieblos vor irgend<strong>ein</strong>en Block, <strong>ein</strong><br />

schon bestehendes Gebäude, geklebt. Eine Kirche<br />

wie viele ähnliche in ähnlich gesichtslosen<br />

Städtchen irgendwo im weiten amazonischen<br />

Hinterland. Sie ist gut erhalten, aber schlecht<br />

restauriert. Den hiesigen Padres fehlt es leider<br />

manchmal an Sensibilität im Umgang mit<br />

historischem Baugut. Und von den lokalen<br />

Maurern kann man nicht verlangen, als dass sie<br />

mehr können, als mehr oder weniger geschickt<br />

den Verputz erneuern <strong>und</strong> noch <strong>ein</strong>e Schicht<br />

Farbe über drei alte pinseln. Die Renovation, die<br />

die Kirche eigentlich “verschönern” sollte, folgt<br />

dabei oft dem eigenen zweifelhaften Geschmack<br />

<strong>und</strong> den noch zweifelhafteren Empfehlungen des<br />

Padres <strong>und</strong> der Kirchgem<strong>ein</strong>de.<br />

Trotzdem trete ich <strong>ein</strong>. Die antike Heiligenstatue<br />

fasziniert mich auf den ersten Blick. Es handelt<br />

sich um die lokale Schutzheilige, <strong>ein</strong>e Holzfigur<br />

der „Nossa Senhora de O“, - „unserer Heiligen<br />

Mutter von O“. Sie nimmt mich total gefangen.<br />

Eine eiserne Tafel belehrt mich, dass das „O“<br />

gleichzeitig das Unendliche verkörpere, aber auch<br />

die gebenedeite Frucht, die im hoch in ihrem<br />

angeschwollen, höchst schwangeren Leibe<br />

heranwächst. Will man dem nach innen<br />

gerichteten Blick <strong>und</strong> dem verhaltenen Lächeln<br />

glauben, so ist unsere abgeklärte Madonna<br />

innerlich schon bereit, das Kind zu gebären, bald,<br />

bald schon.<br />

Muss mir <strong>ein</strong>gestehen, dass dies m<strong>ein</strong>e erste<br />

Madonna ist, die sich so sichtbar, so bekennend<br />

<strong>und</strong> glücklich schwanger zeigt. Eine w<strong>und</strong>erbar<br />

plastische Figur, irden, volksnah, w<strong>und</strong>ersam<br />

greifbar. Schau, da steigt sie schon, nicht ohne<br />

Mühe <strong>und</strong> durch die fortgeschrittene<br />

Schwangerschaft etwas schwerfällig geworden,<br />

von ihrem Piedestal herunter! Mit <strong>ein</strong>er Hand<br />

stützt sie den schmerzenden Rücken, die Füße<br />

sind, um das verlagerte Gewicht besser<br />

ausgleichen zu können, leicht nach außen<br />

gewendet. Mischt sich, etwas kurzatmig <strong>und</strong> <strong>ein</strong><br />

kl<strong>ein</strong> wenig erschöpft, sogleich unters Volk,<br />

verschwindet schon im garagenartigen Bauch der<br />

Markthalle zu ihrer Linken. Versucht hier mit leicht<br />

resignierter Geste <strong>ein</strong>e Handvoll „Farinha d´água“,<br />

n<strong>ein</strong>, dieses ist zu grob, kauft von dem hier, dem<br />

f<strong>ein</strong>eren, nur leicht gekörnten <strong>und</strong> frischknackigen.<br />

Dann soll´s noch <strong>ein</strong> Schäufelchen vom<br />

leuchtend roten „Colorau“ s<strong>ein</strong>, f<strong>ein</strong> zermahlen,<br />

um dem Huhn etwas Farbe zu geben <strong>und</strong> <strong>ein</strong>en<br />

guten Fisch, ja, der hier. Er wird zusammen mit<br />

den klassischen Kräutern <strong>und</strong> <strong>ein</strong> paar<br />

Pfefferfrüchtchen in <strong>ein</strong> frisches Bananenblatt<br />

<strong>ein</strong>geschlagen. Wieder draußen setzt sie sich,<br />

gleich vor der Markthalle, auf dem Hauptplatz an<br />

<strong>ein</strong>en der kl<strong>ein</strong>en Tische der „Tapioqueiras“, <strong>und</strong><br />

bestellt, <strong>ein</strong>e kl<strong>ein</strong>e Stärkung tut Not, <strong>ein</strong>e<br />

„Tapioquinha“, <strong>ein</strong>e Art Pfannkuchen, leicht <strong>und</strong><br />

ausgesprochen lecker, dick mit frisch geriebenen,<br />

groben Kokosflocken bestreut, die nach kurzer<br />

Wartezeit auf <strong>ein</strong>em zurechtgeschnittenen<br />

Bananenblatt serviert wird.<br />

Ich bestelle das selbe. Sitze am Nebentisch <strong>und</strong><br />

genieße aufs Neue jenen Wohlgeschmack, den<br />

ich vor Jahren schon kennen lernte <strong>und</strong> der <strong>ein</strong>er<br />

der Gründe war, warum ich zurückgekehrt bin.<br />

Eine kulinarische Entdeckung, <strong>ein</strong>e Offenbarung.<br />

Der erste Bissen bestätigt mir mal wieder, dass<br />

es bis jetzt noch niemandem gelungen ist,<br />

leichtere „Tapiocas“ oder schmackhafteres<br />

„Cuscus“, (Maiscuscus, wird mit Milch <strong>und</strong><br />

Kokosflocken gegessen) zuzubereiten!<br />

Aber leider ist heute alles <strong>ein</strong> wenig anders. Auch<br />

hier steht die Zeit nicht still. 1972 wurde die<br />

unendlich lange Brücke gebaut, die den Archipel<br />

Mosqueiro, der sich aus 35 auf ca. 220 km²<br />

verteilten Inseln zusammensetzt, mit der großen<br />

Stadt Belém verbindet. Hier leben normalerweise<br />

r<strong>und</strong> 30.000 Personen. Während der Ferienzeit<br />

erhöht sich die Zahl bis auf 400.000 Seelen,<br />

besonders jetzt, wo der Zugang, er war früher<br />

nur per Schiff möglich, ganz leicht ist <strong>und</strong> der Bus<br />

zum Lokaltarif fährt. So kommen nun, neben den<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 660

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