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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Am Kai<br />

Könnte wohl st<strong>und</strong>enlang an den Kais stehen <strong>und</strong><br />

dem Kommen <strong>und</strong> Gehen zusehen. Kilometerlang,<br />

<strong>ein</strong> hässlicher Betonstreifen, oben abgeflacht <strong>und</strong><br />

seitlich abgeschrägt, grenzt er die Hauptstraße<br />

gegen den Fluss Tapajós ab, wir sind in Santarém,<br />

etwa in der Hälfte zwischen Belém <strong>und</strong> Manaus.<br />

Weit draußen trifft das kobaltene Blau des<br />

Tapajós, nur um Nuancen dunkler als der Himmel,<br />

auf die ockerschlammfarbene Trübe des<br />

Amazonas, <strong>ein</strong> lehmiger Strich, weit dahinter <strong>ein</strong><br />

flacher Streifen Grün, <strong>ein</strong>es der vielen Ufer.<br />

Fließen noch kilometerweit neben<strong>ein</strong>ander her.<br />

Endlich gewinnt die Lehmfarbe Oberhand.<br />

In der Stadtmitte dominiert billigster Kommerz,<br />

der von <strong>ein</strong>er endlosen Reihe Geschäfte abgelöst.<br />

Die verkaufen all das, vom Bootszubehör über<br />

Fischernetze bis zum Badetuch, was man im<br />

weiten Hinterland nicht selber herstellen oder<br />

anbauen kann. Nahe beim Zentrum sind die Kais<br />

schicker, werden gar von <strong>ein</strong>em Geländer<br />

gesäumt. Bilden <strong>ein</strong>e Art bombastische<br />

Strandpromenade ohne den winzigsten Schatten.<br />

Nachts leuchten futuristische Straßenlaternen die<br />

Anlage grell aus. Dann trifft man sich, abends,<br />

wenn es kühler wird. Jugendliche mit ihren<br />

Motorrädern, Familien mit Kindern, ältere<br />

Matronen. Darunter mischen sich fliegende<br />

Händler, die aus ihren vollgestopften Rucksäcken<br />

die neuesten Filme, die DVDs natürlich<br />

raubkopiert, unter die Leute bringen. Die Kinder<br />

klettern auf die riesige Betonschildkröte oder<br />

purzeln auf dem bonbonfarbenen Zug herum,<br />

während die Eltern schwatzen <strong>und</strong> <strong>ein</strong> Eis essen.<br />

Noch im Zentrum, gleich schräg vor der<br />

türkisblauen, weiß abgesetzten Barockkirche <strong>und</strong><br />

dem Pavillon im selben Blaugrün, improvisieren<br />

die Hängematten- <strong>und</strong> Taschenverkäufer ihre<br />

Verkaufsstände, haben hier ihre festen<br />

Standplätze. Ihr Angebot ist vielfarbig, bunt <strong>und</strong><br />

grell, gar aus Nylon <strong>und</strong> tarnfarben bedruckt, die<br />

klassisch weißen will k<strong>ein</strong>er mehr. Noch modischer<br />

nur die Sonnenbrillen, in Reih <strong>und</strong> Glied durch <strong>ein</strong><br />

riesiges Styroporblatt gesteckt. Verspiegelt,<br />

verchromt oder tiefschwarz arrogant <strong>und</strong><br />

windkanalgestylt warten sie auf Käufer. Daneben<br />

allerlei Gürteln <strong>und</strong> Taschen, die pinkfarbenen mit<br />

den japanischen Comiczeichnungen oder Barbie<br />

sind wohl nicht nur für kl<strong>ein</strong>e Mädchen. Schatten<br />

spenden <strong>ein</strong> paar verknorzte, faszinierende<br />

Urwaldbäume, deren Astwerk, oder sind es<br />

Luftwurzeln? So über<strong>ein</strong>ander gewuchert ist, dass<br />

sie mich an freigelegte Nerven, Sehnen <strong>und</strong><br />

Blutstränge mager-muskulöser Riesenarme<br />

erinnern. Gegenüber liegen schon die ersten<br />

Schiffe vertäut, <strong>ein</strong>s hinter dem nächsten<br />

unterstehen sie alle diszipliniert <strong>ein</strong>er<br />

unsichtbaren Ordnung. Die Marine ist streng.<br />

Weiter vorne sind die Kais schmucklos, <strong>ein</strong> Wehr<br />

gegen die Wasser, die alle sechs Monate steigen<br />

<strong>und</strong> dann wieder fallen, im ewig<br />

gleichbleibenden, ständigen Zyklus,<br />

unberechenbar, gottgegeben. Sind die Wasser<br />

hoch, springen die Boote fast bis auf die<br />

Hauptstraße. Haben sie ihren Tiefstand erreicht,<br />

ankern sie weit draußen an den sandigen<br />

Bänken.<br />

Etwa in der Mitte befindet sich der ganz große<br />

Güterumschlagplatz. Fasziniert beobachte ich<br />

wie Lastwagenladungen hinter Lastwagenladungen<br />

in den Bäuchen <strong>und</strong> unter Deck<br />

verschwinden. Es ist <strong>ein</strong> Heben, Stemmen,<br />

Ziehen, Zirkeln <strong>und</strong> Verstauen. Verladen wird<br />

<strong>ein</strong>fach alles. Mehl, Margarine, hochb<strong>ein</strong>ige<br />

Motocross-Motorräder, Maschinenersatzteile,<br />

12er-Pakungen Limonade, deren Namen mir<br />

fremd sind, Gaspatronen, Fernseher <strong>und</strong> viele<br />

andere unverzichtbare Gr<strong>und</strong>versorgungsmittel<br />

balancieren starke Hafenarbeiter auf wackligen<br />

Hühnerstegen ins Schiffsinnere. Auf den <strong>ein</strong> oder<br />

zwei Oberdecken hängen schon <strong>ein</strong>zelne<br />

Hängematten, noch gibt es viel Platz für andere.<br />

Ganz an Ende, auf Stelzen in den Fluss hin<strong>ein</strong><br />

gebaut, der „Tablado“, <strong>ein</strong>er der Fischmärkte.<br />

Hier kann man den frischesten Fisch der Welt<br />

kaufen <strong>und</strong> gleich auch die für <strong>ein</strong>e Fischsuppe<br />

nötigen Zutaten. Kl<strong>ein</strong>kuglige Limetten, um den<br />

Fisch zu waschen <strong>und</strong> kl<strong>ein</strong>e, schäbige Tomaten<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 306

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