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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Die Helden <strong>Amazonien</strong>s, die Ribeirinhos <strong>und</strong> Caboclos<br />

Sie sind wohl die ersten die kommen, gleichzeitig<br />

Vorhut <strong>und</strong> Nachzügler, <strong>und</strong> die letzten die<br />

aufgeben: die Ribeirinhos. Sie sind <strong>ein</strong>e Art<br />

Helden des amazonischen Alltags. K<strong>ein</strong>er, außer<br />

vielleicht <strong>ein</strong>e Handvoll Missionare, viele von<br />

sogenannten Freikirchen, wagt sich so weit die<br />

Flussarme hoch wie sie. Sie bilden, zwei oder drei<br />

Häuser, <strong>ein</strong>e Schule <strong>und</strong> <strong>ein</strong>e Kirche zusammen,<br />

gar <strong>ein</strong>e „Comunidade“. Ein Wort, das hier noch<br />

k<strong>ein</strong>en kriminellen Beigeschmack hat. Ihre<br />

Rassenmischung, dieser Frage steht man seit der<br />

Kolonisierung opportunistisch gegenüber,<br />

verraten ihr Indioblut oder das des „Arigós“, des<br />

Nordestinos, interbrasilianische Migrationen, die<br />

in den 70er <strong>und</strong> 80er Jahren des letzten<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts ihren Höhepunkt erreichten, die<br />

sich die neu konstruierten Straßen, die den<br />

Tropenwald durchschneiden, zunutze machten.<br />

Heute gesellen sich immer mehr Gauchos,<br />

Südbrasilianer dazu. Die Migration war so stark,<br />

dass in <strong>ein</strong>er bedeutenden Zahl amazonischer<br />

Gem<strong>ein</strong>den mehr als 50 Prozent der Bevölkerung<br />

aus Migranten besteht. Wenige Abenteuerlustige<br />

migrieren aus Spaß. Migration bedeutet, dass<br />

man s<strong>ein</strong>e Kultur hinter sich lässt <strong>und</strong> sich auf<br />

etwas ganz Neues, Unbekanntes, erschreckend<br />

Fremdes <strong>ein</strong>lassen muss. Normalerweise<br />

migrieren die weniger Instruierten, wie man hier<br />

sagt, die Minderbemittelten.<br />

All diese ungekannten Massen suchen sich in<br />

ihrem neuen Leben irgendwie <strong>ein</strong>zupassen.<br />

Wohnen sie irgendwo im Landesinnern, werden<br />

sie auch „Caboclos“ genannt, oder „Colonos“,<br />

Hinterwäldler, <strong>ein</strong>e Art Bauern, arm, ungebildet.<br />

Teil all derer, die sich tagtäglich irgendwie<br />

arrangieren, leben, überleben, mit oder gegen die<br />

Natur, tagtäglich die endlosen Wasserstraßen<br />

hinauf- <strong>und</strong> hinunterfahren. Vielleicht gehören sie<br />

auch zu den Goldgräbern <strong>und</strong> anderen,<br />

moderneren Schatzsucher, die Bodenschätze sind<br />

unvorstellbar reich, sind Farmer, Jäger, Freibeuter,<br />

Minenarbeiter oder Prostituierte, denn der<br />

Amazonas ist so riesig, so unendlich weit, dass er<br />

in vielen Teilen <strong>ein</strong>em sehr wilden, brasilianischen<br />

Westen gleicht, um nicht zu sagen <strong>ein</strong>em wie <strong>ein</strong><br />

riesiges Armenhaus vorkommt. Ein Schmelztiegel,<br />

<strong>ein</strong> komplexes soziokulturelles Mosaik der<br />

unterschiedlichsten Rassen, Kulturen <strong>und</strong> Werten,<br />

die sich auch oft entgegengesetzt gegenüber<br />

stehen <strong>und</strong> gar versuchen, ihre Konflikte mit<br />

Waffengewalt zu lösen. Dem Staat gelingt es nicht,<br />

will es nicht gelingen, bis dahin vorzustoßen.<br />

Ihr hartes Leben gehorcht dem Ansteigen <strong>und</strong><br />

Fallen der Wasser, den Regen, den Dürren, die die<br />

Klimaveränderungen auch hier spürbar machen.<br />

Die Ribeirinhos leiden, Gottes Geiseln, an<br />

Falschernährung, Tropenkrankheiten <strong>und</strong> im Fisch,<br />

der tagtäglich auf den Tisch kommt, gibt es zu viel<br />

Quecksilber. Ein Teil, der von bösen Goldgräbern<br />

ausgewaschen wird, das Problem sch<strong>ein</strong>t nur<br />

teilweise unter Kontrolle. Schlimmer - das<br />

Quecksilber kommt aus natürlichen Vorkommen,<br />

gelangt ins Wasser <strong>und</strong> damit in die Fische. Nur<br />

Hunger leiden sie hier nicht. Hier am Fluss gibt es<br />

fast immer <strong>ein</strong>en Fang. Auch Jagdbeute kommt<br />

gerne auf den Tisch. Als Sonntagsfestbraten gar<br />

<strong>ein</strong> paar illegale Schildkröten oder je nach<br />

Jahreszeit auch deren leckere Eier, deren Inhalt<br />

zwar als „sandig“ aber überaus wohlschmeckend<br />

beschrieben werden. Für die <strong>ein</strong>heimische<br />

Bevölkerung gibt es Sonderregeln, was die Jagd<br />

<strong>und</strong> den Verzehr der sonst so streng geschützten<br />

lokalen Fauna betrifft. Dazu etwas Farinha, auch<br />

im Frühstückskaffee, wenn es gerade k<strong>ein</strong>e<br />

Maniok, Cará, Pupunha oder andere Knollen gibt.<br />

Das Heute lösen, denn morgen ist immer <strong>ein</strong><br />

anderer, neuer Tag, <strong>und</strong> Gott, oder die<br />

evangelische Sekte, wird´s schon richten. Der<br />

Nachbar macht´s doch auch nicht anders <strong>und</strong> die,<br />

die arbeiten wollen, oder <strong>ein</strong>e gute Schulbildung,<br />

wandern sowieso in die Städte ab. Die sind hier<br />

noch Magnete. Sie bieten alles, für den der<br />

weiter kommen will im Leben oder vom ewigen<br />

Tropenwald genug hat. Denn auch hier wollen<br />

sich viele den Wald vom Hals halten. So <strong>ein</strong> tolles<br />

Shopping ist doch viel attraktiver, zivilisierter, die<br />

Temperaturen auf Antartikaniveau reduziert <strong>und</strong><br />

die Regen ausgesperrt.<br />

Die Zahlen sprechen für sich. Heute lebt schon<br />

die Mehrheit der Einwohner <strong>Amazonien</strong>s in<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 366

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