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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Zusammenleben profitieren beide Seiten, wenn<br />

auch unter ungleichen Bedingungen. Die<br />

vergleichsweise bequeme Leben in den Dörfern<br />

<strong>und</strong> Städten zog <strong>und</strong> zieht die Indigenen, wie<br />

heute noch, magisch an. In allen Aufzeichnungen<br />

der verschiedensten Naturalisten kann man<br />

nachlesen, dass es wahrsch<strong>ein</strong>lich am Rande von<br />

allen amazonischen Dörfern <strong>und</strong> Städten <strong>ein</strong> paar<br />

eher behelfsmäßige Behausungen mit <strong>und</strong> von<br />

Indios <strong>und</strong> Schwarzen gab, die Vorläufer der<br />

heutigen Favelas. Die der Indios erinnerten mit<br />

ihren Strohdächern wohl eher an <strong>ein</strong>en nach allen<br />

Seiten offenen Lagerraum, in den <strong>ein</strong> paar<br />

Hängematten aufgespannt waren. Zur<br />

Gesellschaft gehören sie offiziell nicht. Den<br />

pragmatischen Portugiesen gelingt es anderseits,<br />

sehr viel von den lokalen Gewohnheiten, dem<br />

Essen, dem Ackerbau zu assimilieren <strong>und</strong> damit in<br />

den Tropen zu überleben. Und auch die indigenen<br />

Frauen verachten sie nicht.<br />

Zwar kreiert im Jahr 1857 José de Alencar in<br />

s<strong>ein</strong>em Fortsetzungsroman den idealen, edlen<br />

Indio aus „O Guarani“, später von Carlos Gomes<br />

als Oper idealisiert, <strong>und</strong> danach die unglückliche<br />

Häuptlingstochter „Iracema“, aber erst 1922<br />

besinnt sich Mário de Andrade mit dem höchst<br />

unmoralisch cleveren „Macunaíma“, <strong>ein</strong> Held<br />

ohne Charakter, auf urbrasilianische Wurzeln -<br />

Brasilien beginnt sich endlich vom erdrückenden<br />

europäischen Einfluss zu lösen <strong>und</strong> sucht <strong>ein</strong>e<br />

eigene Identität.<br />

Zur selben Zeit stellt sich auch Cândido Mariano da<br />

Silva Rondon, der sich in <strong>ein</strong>er heroischen Leistung<br />

mit s<strong>ein</strong>en Soldaten, die Mehrheit zwangsverpflichtet,<br />

<strong>ein</strong>ige haben Frauen <strong>und</strong> Kinder mit<br />

dabei, im Malaria verseuchten Tropenfeuchtwald<br />

den Weg für s<strong>ein</strong>e Telegrafenleitung frei schlägt,<br />

nach vielen Begegnungen mit den Indios auf deren<br />

Seite. Wird aus „humanistisch-religiösen“ Gründen<br />

zu deren paternalistischem Beschützer. Einer der<br />

neueren Amazonasstaaten, Rondônia, ist nach ihm<br />

benannt.<br />

Aber zurück zum Anfang. Laut Schätzungen soll es<br />

bei der Ankunft der Portugiesen zwischen drei<br />

<strong>und</strong> fünf Millionen Indigene Einwohner gegeben<br />

haben. Denen stehen heute ca. 180 indigene<br />

Völker entgegen, deren Bevölkerung 208 Millionen<br />

Individuen zählt. Von denen über 70 % im<br />

Amazonas leben. Dass die Zahlen wieder zunehmen,<br />

gibt nicht nur der indigenen Bevölkerung<br />

Hoffnung. Wie es sch<strong>ein</strong>t, wird die Geschichte <strong>und</strong><br />

die Zukunft jener Völker, die mit der Ankunft der<br />

Portugiesen jäh <strong>und</strong> brutal unterbrochen wurde,<br />

etwas weniger dunkel s<strong>ein</strong>. Waren die religiösen<br />

Orden mit all ihrem kulturellen Hintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />

ihrer Weltgewandtheit nicht in der Lage, den gut<br />

entwickelten lokalen Kulturen den ihnen<br />

zustehenden Wert beizumessen, so sch<strong>ein</strong>t sich<br />

das Blatt doch ganz langsam zu wenden.<br />

Zwar sind die indigenen Bevölkerung, <strong>ein</strong>e Folge<br />

der Versklavung, Christianisierung <strong>und</strong> des<br />

Ethnozides seit 1850 nicht mehr in der Mehrzahl.<br />

Dazu trug auch die brutale Unterdrückung der<br />

Revolution der „Cabanagem“ in der ersten Hälfte<br />

des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts das ihre bei. Sie hatte<br />

großen Zuspruch der indigenen Bevölkerung, <strong>und</strong><br />

die Mehrheit sah sich gezwungen, sich der<br />

Verfolgung dadurch zu entziehen, indem sie sich<br />

hinter die letzten Grenzen zurückzogen. Aber<br />

auch hier wurden sie später von der Zivilisation<br />

<strong>ein</strong>geholt. Der Boom des Kautschuks brachte<br />

viele Verzweifelte dazu, sich immer weiter in den<br />

Dschungel vorzuwagen. Der Luxus der<br />

Kautschukbarone forderte <strong>ein</strong>en hohen Preis an<br />

Menschenleben.<br />

Mit der Integrationspolitik des Amazonas in den<br />

Jahren 1960 bis 70 gingen die Massaker an der<br />

indigenen Bevölkerung weiter. Im Namen des<br />

Fortschrittes wurden Schneisen, die zu Straßen<br />

wurden in die unendlichen Wälder geschlagen.<br />

Es entstanden die Transamazônica <strong>und</strong> die Belém<br />

Brasilia, BR 364, 174 <strong>und</strong> die Perimetral Norte.<br />

Viele indigene Stämme verloren ihre Gebiete,<br />

wurden von ihren Ländern verjagt oder <strong>ein</strong>fach<br />

ausgetilgt. Aber die 1970 Jahre stehen auch für<br />

<strong>ein</strong>e Kehrtwende in der indigenen Resistenz.<br />

Besonders die Kirche, vertreten vom Conselho<br />

Indigenista Missionário (Cimi), half der indigenen<br />

Bevölkerung sich besser zu organisieren <strong>und</strong> ihre<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 341

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