Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Cupuaçu
Da, drüben, was verkaufen sie denn da? Zuerst
fällt mir der eigentümliche Geruch auf. Schwer,
fruchtig-säuerlich, deliziös-penetrant und
exotisch beißt er mich in die Nase. Dann bleibe
ich, unbehaglich und fasziniert zugleich, vor der
Frau stehen. Sie sitzt auf einem wackligen Podest,
im Schneidersitz, unter einem improvisierten
Sonnendach. Zwischen die Beine hat sie sich ein
blaues Plastikbecken geklemmt. In der einen
Hand hält sie eine metallene Schere, mit der
anderen hält sie das weiße Fruchtfleisch fest.
Plopp, schon wieder fällt ein ca. 3 cm langer, rund
zulaufender brauner Kern ins Becken. Routiniert
schneidet die Schere weiter. Schneidet das
cremeweiße Fleisch vom nächsten Kern herunter.
Jetzt fällt der Groschen – „Cupuaçu!“ Die
beliebteste Frucht Amazoniens!
Magisch erschnuppert ihn meine Nase, lange
bevor ich ihn sehe. So exotisch wie der Name,
schwer beschreibbar, fruchtig säuerlich, deliziöspenetranter
Geschmack-Geruch, tief eingekerbt
ins Duftgedächtnis, eine der typischsten
Erinnerungen an den Amazonas. Schwül und
parfümschwer bannt er einem auch dann, wenn
das blendende Fruchtfleisch noch von der
samtbraunen, hölzernen Schale geschützt ist.
Unverändert übersteht das Parfüm alle
Verarbeitungsprozesse. Jeder Schluck oder Bissen,
den ich schleckend-schlucke, beschenkt mich mit
dem selben deliziös-penetranten, fruchtigen
Parfüm.
Der Cupuaçu ist der Bruder des Kakaos. Auch seine
Kerne könnten zu Schokolade verarbeitet werden.
Allerdings ist es bis heute nur sehr kleinen
Unternehmen gelungen, die “Cupulate” genannte
Schokolade so zartschmelzend zu machen wie die
aus Kakao. Das ganze ist nichts Neues. Früher gab
es in Belém einmal eine kleine Fabrik, die
Cupuaçu-Schokolade herstellte. Längst hat sie vor
der übermächtigen internationalen Konkurrenz
kapituliert. Heute werden die Samen des
Cupuaçus mehrheitlich in Kakaobutter
umgewandelt, der in der Kosmetikindustrie
Verwendung findet.
Der Cupuaçu schläft, wie viele andere indigene
Früchte hier seinen tiefen Dornröschenschlaf
weiter, denn nicht mal in Südbrasilien kann ich
sein wunderbar säuerliches Fruchtfleisch kaufen....
Die wissen nicht, was ihnen entgeht!
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