Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

sich menschliche Wesen nur deshalb
zurückzogen, weil sie wie die Indigenen und die
geflohenen Sklaven keine andere Wahl hatten.
Nur dort hatten sie eine gewisse Garantie, ihren
unmenschlichen Herren genauso zu entkommen
wie der blutigen Revolution der Cabanagem. Eine
Revolution, zu ihren und den Gunsten anderer
Unterdrückter angezettelt, vom herrschenden
Regime aber blutig unterdrückt wurde.
Die meisten Schwarzen hier wurden ab dem 18.
Jahrhundert aus dem Kongo und Angola in den
Amazonas verschleppt. Sie sollen in der Mehrheit
zum Stamme der Bantus gehören. Sie waren dazu
verdammt, auf Vieh- und Kakaofarmen der Region
zu arbeiten. Bald gelang den ersten die Flucht und
schon in Aufzeichnungen aus dem Jahr 1812 wird
eine Expedition geschildert, die das Ziel hatte, die
Quilombos der Region zu zerstören.
Später, eine Bootsviertelstunde weiter den Fluss
Trombetas hinauf, schon beim Mittagessen bei
einer der kleinen Gemeinschaften, hören wir den
alarmierenden Schrei eines Vogels, begleitet von
ein paar kurzen, heftigen Schlägen ins Wasser.
Auch das Krokodil hat Hunger. Ein unvorsichtiger
Vogel deckt ihm den Tisch. Sie erzählen, dass
gestern das unachtsame Hausschwein nur knapp
und mit verletztem Bein sozusagen aus den
Zähnen eines anderen Krokodils gerettet
werden konnte. Spare mir die Nachfrage über
seinen Zustand.
Hier im Quilombo scheint die Zeit still zu stehen,
eine Art Zeitreise. Im Hausgarten gibt es hoch
aufgeschossenes Zuckerrohr und rund ums Haus
wachsen wild Baumwollsträucher. Vergessene
Nutzpflanzen, die noch vom Selbstversorgen
zeugen, aber natürlich längst mit dem Plastikgeschirr
aus China und überall verstreutem
Plastikmüll koexistieren. An der Hauswand hängt
eine Rispe primitiven Maises, die winzigen Körner
wunderschön gesprenkelt. Es ist Hochwasser und
um die Farinhaproduktion zu sehen, werden wir in
einem Winzboot, sein Rand schaukelt weniger als
eine Handbreit über dem Wasserspiegel, zum
nahen Ufer übergesetzt. Das andere Boot, eine Art
bessere Nussschale, bietet gerade einer einzigen
Person Platz.
Die Mobilität der Bewohner, sie pflegen wie
überall hier eine weitverzweigte Verwandtschaft,
ist groß und wird durch Heiraten, Scheidungen
und manch nachbarlichen Streit, dem man einfach
durch Wegziehen ausweicht, noch verstärkt. In
den Häusern gibt es weder fließendes Wasser
noch Sickergruben. Manche verfügen über
Elektrizität, die von dieselbetriebenen
Generatoren erzeugt wird. Alle paar Jahre wird
dem Dschungel ein neues Feld für die
Maniokpflanzung abgerungen. Durch Brandroden
natürlich, manchmal auch als Puxirum,
Gemeinschaftsarbeit, organisiert. Dabei geht
neben dem gerodeten Feld oft auch ein weiteres
Stück intakten Tropenwaldes in Flammen auf.
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