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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Gerüche, Düfte, Parfüms<br />

Es ist wohl der hohen Luftfeuchtigkeit<br />

zuzuschreiben, die 90 % erreicht, dass sich bei der<br />

geringsten Friktion Wellen <strong>und</strong> Wellen von<br />

Duftwolken freisetzen. Ob sie auch daran schuld<br />

ist, dass sich hier alle Gerüche <strong>und</strong> Parfüms<br />

verstärken, überzeichnen, konzentrieren, bis zu<br />

dem Punkt, wo sie penetrant werden, schwer<br />

oder gar abstoßend, mich gar verfolgen? Oder<br />

liegt es gar an den lokalen Gewohnheiten? Nur<br />

hier in Brasiliens Norden begleiten mich so viele<br />

besondere Gerüche <strong>und</strong> Düfte. Duftende Partikel,<br />

die alles hergeben, was sich die Tropen so<br />

ausgedacht, zusammengebraut <strong>und</strong> vergoren<br />

haben, <strong>und</strong> das ist viel. Ist es der Vorliebe der<br />

Caboclos wegen, auch alle Männer, sich zu<br />

parfümieren <strong>und</strong> bitte gerne großzügig? Werde<br />

weiter riechen, schniefen, schnuppern oder mir<br />

die Nase zuhalten, ohne es je wirklich heraus zu<br />

finden.<br />

Da! Der Duft <strong>ein</strong>es Cupuaçus, noch in der Schale,<br />

irgendwo auf der Straße zum Verkauf aufgetürmt,<br />

schlägt er mich von weitem in s<strong>ein</strong>en Bann!<br />

Bildet, Fleisch <strong>und</strong> Geruch, <strong>ein</strong> sehr spezielles,<br />

untrennbares Gespann. Wie nur den intensiven,<br />

säuerlich-fruchtigen Geruch <strong>ein</strong>er Araçá<br />

beschreiben? Eine Frucht aus der Familie der<br />

Guaven, nicht die domestizierten weißen oder<br />

hellroten, die fast wie Katzenpipi riechen. Die<br />

wilden, kl<strong>ein</strong>kuglige oder ovalen, die man nur in<br />

den altmodischen Hinterhofgärten findet?<br />

Fantastisch die orangengroße, eidottergelbe <strong>und</strong><br />

pfirsichhäutige Schwester mit dem vollm<strong>und</strong>igen<br />

Namen „Araçá da Califórnia“, so w<strong>und</strong>erbar sauer<br />

parfümiert, schärfer <strong>und</strong> noch akzentuierter, dass<br />

es mir all<strong>ein</strong> schon beim Daran-Denken das<br />

Zahnfleisch wonnig zusammenzieht oder das<br />

Hemd aus der Hose, wie m<strong>ein</strong>e Großmutter wohl<br />

gesagt hätte.<br />

Auch andere Früchte hier riechen raumfüllend,<br />

kitzeln den Gaumen, betäuben die Zunge,<br />

Geschmack-Geruch, ver<strong>ein</strong>nahmen alle m<strong>ein</strong>e<br />

Sinne. Hände, Augen <strong>und</strong> Nase essen mit. Purstes<br />

Vergnügen, an sechs, sieben voll ausgereiften<br />

Mangos zu riechen, jede mit dem ihr ganz eigenen<br />

Geruch, mal halb harzig, halb herb, mal blumig<br />

oder zitronig. Düfte, die sich noch verstärken, die<br />

Palette der fremdartigen Geschmack-Gerüche<br />

bereichern, wenn man <strong>ein</strong> Stück des<br />

Fruchtfleisches runter schneidet; Fleisch <strong>und</strong><br />

Geruch, Nase <strong>und</strong> M<strong>und</strong> <strong>ein</strong> untrennbares<br />

Gespann.<br />

Der grün-holzige Duft, den der Tropenwald<br />

nach dem Regen ausdünstet, schimmlig, faulig <strong>und</strong><br />

doch frisch. So anders die vor sich hin rottende<br />

Fäulnis der Städte, deren Geruch-Gestank schwer<br />

aus den Abwasserkanälen hochsteigt, in denen<br />

überreife Mangos zusammen mit süßlich<br />

stinkendem Abfall verfaulen. Schwaden stinkender<br />

Fäulnis, von ständigen Regen genährt, gegärt <strong>und</strong><br />

zelebriert, die mir in unappetitlich<br />

unregelmäßigen Wellen in die Nüstern steigen.<br />

Der Blumen-, Kräuter-, Heilmittel- <strong>und</strong><br />

Gewürzmarkt wird zum r<strong>ein</strong>en Delirium, wenn<br />

mir der eifrige Verkäufer die verschiedensten<br />

frischgrünen Ästchen von s<strong>ein</strong>en Kräuterstauden<br />

herunterbricht, sie zwischen den Fingern zerreibt<br />

<strong>und</strong> mir unter die schnuppernde Nase hält. Sie<br />

sind für die unterschiedlichsten Dinge gut. Man<br />

braut aus ihnen Tees <strong>und</strong> Badeaufsude. Es muss<br />

wohl tausenderlei Typen „Manjericão“, die selbe<br />

Familie wie Basilikum <strong>und</strong> „Alfavaca“ geben.<br />

Jedes fleischig üppige Blatt hat s<strong>ein</strong>en eigenen,<br />

ganz speziellen Duft, pfeffrig, grün oder gar<br />

menschlich, nicht von ungefähr heißt es „Catinga<br />

da Mulata“, Mulattenausdünstung/-schweiß.<br />

Ich erinnere mich an den halb antiquierten, halb<br />

exotischen Geruch der Kleider, die hier mit<br />

Sachés oder „Amarrados“ (Wurzelbüscheln in<br />

verschiedenen Formen, auch als Puppen) aus<br />

Vetiverwurzel aufbewahrt wurden. Es sind<br />

emotionelle, dramatisch-starke Düfte. Sie reißen<br />

die Herrschaft an sich, balgen sich um die<br />

Vorherrschaft. Jeder hat s<strong>ein</strong>e eigene<br />

Persönlichkeit, jeder erzählt tausenderlei<br />

Geschichten, amazonische Geschichten.<br />

Sie haben alles, was altmodische Parfüms<br />

auszeichnet, <strong>und</strong> können <strong>ein</strong>em deshalb auch<br />

ganz schön auf den Nerv gehen.<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 793

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