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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Der Dolarsch<strong>ein</strong><br />

Der winzige <strong>und</strong> stickig-enge Krämerladen ist bis<br />

unters Dach vollgestopft. M<strong>ein</strong>e Einkäufe türmen<br />

sich schon auf der wacklig-improvisierten Theke<br />

gleich neben der Kühltruhe <strong>und</strong> der Kasse, als<br />

mich die Hand des Besitzers bannt. Sie hält <strong>ein</strong>en<br />

seltsam unbekannten Geldsch<strong>ein</strong>, reibt ihn<br />

zwischen den Fingern, streicht ihn unentschieden<br />

glatt, hält ihn prüfend weit von sich, dreht <strong>und</strong><br />

wendet ihn, um sich schließlich fragend an<br />

m<strong>ein</strong>en Begleiter zu wenden. – „Ist der echt?“ -<br />

Ja, doch, bei diesem Dollarsch<strong>ein</strong> sch<strong>ein</strong>t es sich<br />

nicht um <strong>ein</strong>e Fälschung zu handeln.<br />

Es dauert, bis wir endlich merken, dass die<br />

Banknote entscheidender Teil <strong>ein</strong>es komplizierten<br />

Handels ist. Schon wieder haut der Ladenbesitzer<br />

<strong>ein</strong> paar Zahlen in s<strong>ein</strong>en Taschenrechner. Hält<br />

ihn umgehend <strong>ein</strong>em großen, stämmigen<br />

Brasilianer japanischer Herkunft unter die Nase.<br />

Schlägt <strong>ein</strong> paar andere Ziffern r<strong>ein</strong>, die er<br />

lautstark auf Portugiesisch bekräftigt. Aha, es geht<br />

um <strong>ein</strong> Paar blumige Havaianas. Ein letzter<br />

Austausch von Zahlen via Digitalanzeige des<br />

Taschenrechners, von flinken Gesten<br />

unterstrichen, <strong>und</strong> der Handel sch<strong>ein</strong>t, vom<br />

Käufer zustimmend benickt, abgeschlossen.<br />

Schon im Weggehen, in der Hand die<br />

Plastiksandalen <strong>und</strong> sichtlich zufrieden mit <strong>ein</strong>em<br />

erfolgreichen Geschäft, bemerkt der<br />

verm<strong>ein</strong>tliche Japaner unsere fragenden Blicke<br />

<strong>und</strong> wiederholt das portugiesische Wort:<br />

“Tripulação”, Bordbesatzung, wozu er bestätigend<br />

mit dem Kopf nickt, zu dem, was uns schon der<br />

Ladenbesitzer zuraunte. Der Mann, den wir<br />

versehentlich als Brasilianer japanischer<br />

Abstammung <strong>ein</strong>schätzten, ist <strong>ein</strong> Mitglied der<br />

Besatzung des Kreuzfahrtschiffes da draußen.<br />

Entpuppt sich beim näher Hinsehen wohl eher als<br />

<strong>ein</strong> cleverer Chinese oder geschäftstüchtiger<br />

Koreaner. Fast ganz ohne Portugiesisch ist es ihm<br />

gelungen, für s<strong>ein</strong>en sauer verdienten Dollar <strong>ein</strong>en<br />

vorteilhafteren Wechselkurs herauszuschinden.<br />

Auf dem Schiff <strong>und</strong> auch hier auf Landgang sind<br />

reiche, ortsunk<strong>und</strong>ige Touristen nun mal dazu da,<br />

ausgenommen zu werden. Besonders wenn sie<br />

sich <strong>ein</strong>en Trip in die amazonische Karibik, nach<br />

Alter-do-Chão leisten können.<br />

S<strong>ein</strong> Riesenkreuzfahrtschiff ankert, wie viele<br />

andere vor <strong>und</strong> nach ihm, weit draußen. Spuckt<br />

hin <strong>und</strong> wieder gelbe Schlauchboote aus, die ihre<br />

bleiche Touristenfracht am überdimensionalen<br />

Bootssteg ausschütten, von wo aus sie dann für<br />

<strong>ein</strong>e halbe abenteuerliche <strong>und</strong> tropisch-heiße<br />

St<strong>und</strong>e den stillen Flecken überschwemmen. So<br />

wie dieser bleichschnäblige Australier im<br />

kakifarbenen Tropenanzug <strong>und</strong> –hut, der fasziniert<br />

die reichen blumigen Kaskaden <strong>ein</strong>er<br />

Bougainvillea, <strong>ein</strong>e ach so amazonische<br />

Pflanzenart (!) fotografiert. Wie sollte er auch<br />

wissen, dass auch hier die Leute für ihre Vorgärten<br />

nichts lieber mögen als exotisch importierte<br />

Blüher, am besten in den strahlensten Farben.<br />

Blüten gibt es im immergrünen Dschungel halt<br />

fast k<strong>ein</strong>e. M<strong>ein</strong> Begleiter versucht dieses<br />

etwas schiefe Bild insofern zurechtzurücken,<br />

indem er ihn auf den wirklich original<br />

amazonischen Urucumstrauch voller reifer<br />

Samenkapseln aufmerksam macht. Der steht<br />

gleich auf der anderen Straßenseite. Ist allerdings<br />

viel weniger farbenprächtig, respektive fotogen.<br />

Leider fehlt ihm die Courage, es den lokalen<br />

Touristenführer nachzumachen. Die zerreiben<br />

<strong>ein</strong> paar Samen zwischen den Fingern <strong>und</strong> malen<br />

den erstaunt-entzückten Touristen gewagt<br />

tiefrote Farbstreifen auf die welken, rosa<br />

angehauchten Wangen. Dazu ist Urucum nämlich<br />

unter anderem da.<br />

Und so wird der Lauf der Welt wohl bald auch<br />

den Amazonas <strong>ein</strong>geholt haben: <strong>ein</strong> echter<br />

Dollar, <strong>ein</strong> gefälschter Amazonas - <strong>und</strong> da soll es<br />

noch Leute geben, die das bedauern.<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 318

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