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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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sich später, schon tief im Amazonas, gegenseitig<br />

<strong>ein</strong>en Letzten Willen an, bevor sich ihre Wege<br />

trennten. Sich in unbekannte Tropen vorzuwagen,<br />

war <strong>ein</strong> lebensgefährliches Abenteuer, das <strong>ein</strong>em<br />

in St<strong>und</strong>en oder Tagen problemlos das Leben<br />

kosten konnte. Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts waren<br />

die Zustände in den großen brasilianischen<br />

Hafenstädten so unges<strong>und</strong>, dass viele<br />

ausländische Schiffe hier gar nicht anlegten.<br />

Brasilien war als das „Grab der Ausländer“<br />

verschrien.<br />

Auch Rio de Janeiro, um 1900 Brasiliens<br />

Hauptstadt, galt als hochriskanter, todbringender<br />

Aufenthaltsort <strong>und</strong> bis zum Zweiten Weltkrieg<br />

zum Beispiel war es gar nicht so <strong>ein</strong>fach,<br />

kompetente Forscher in den Amazonas zu locken.<br />

Zu groß war die Angst, wie viele andere, in den<br />

ersten paar Tagen von <strong>ein</strong>er heimtückischen<br />

Tropenkrankheit dahingerafft zu werden, denen<br />

besonders weiße Europäer wie die Fliegen zum<br />

Opfer zu fallen schienen. Zwar hatte Louis Pasteur<br />

schon 1850 die Bakterien entdeckt, aber erst im<br />

Jahre 1900 wurden in Kuba die ersten Tests<br />

durchgeführt, die die bis dahin unvorstellbare<br />

Idee bewiesen, dass es weder schlechte Gerüche<br />

noch fehlende Hygiene waren, sondern <strong>ein</strong><br />

<strong>ein</strong>facher Moskito, der das tödliche Gelbfieber<br />

<strong>und</strong> die gefürchtete Malaria übertrug.<br />

Als 1902 Rodrigo Alves zum Präsidenten der<br />

brasilianischen Republik ernannt wurde, setzte er<br />

sich zum Ziel, die Situation radikal zu ändern.<br />

Schon <strong>ein</strong> Jahr später ernannte er Oswaldo Cruz,<br />

<strong>ein</strong>en jungen Arzt mit geradezu revolutionären<br />

Ideen, er hatte bei Pasteur in Paris studiert, zum<br />

Direktor des öffentlichen Ges<strong>und</strong>heitswesens.<br />

Oswaldo Cruz gelang es 1906 mit <strong>ein</strong>er<br />

spektakulären Antimoskitoaktion Rio de Janeiro<br />

von s<strong>ein</strong>en ständig wiederkehrenden<br />

mörderischen Gelbfieberepidemien zu befreien.<br />

Dass die Aktion sehr autoritär vor sich ging, die<br />

Moskitobekämpfer verschafften sich mit allen<br />

Mitteln, auch mit Gewalt, Zugang zu den Häusern,<br />

führte zu vielen Protesten. Seit 1937 stand dann<br />

<strong>ein</strong>e Impfung gegen die tödliche Krankheit zur<br />

Verfügung.<br />

Nur am Rande sei erwähnt, dass nicht nur die<br />

Weißen in ihrer Europazentriertheit litten. Als<br />

besonders infame Kolonialisierungstechnik, <strong>ein</strong>e<br />

raffinierte Art der biologischen Kriegsführung,<br />

wurden simple Grippe <strong>und</strong> Pockenviren, aus<br />

Europa importiert, <strong>ein</strong>gesetzt. Es reichte, mit dem<br />

Flugzeug <strong>ein</strong> paar infizierte Kleidungsstücke über<br />

<strong>ein</strong>em Indiodorf abzuwerfen. Die Bakterien <strong>und</strong><br />

Viren, gegen die die Einheimischen k<strong>ein</strong>e<br />

Antikörper hatten, dezimierten <strong>und</strong> dezimieren<br />

noch heute ganze wehrlose Stämme indigener<br />

Bevölkerung. Sie starben, <strong>ein</strong>mal angesteckt, wie<br />

die Fliegen.<br />

Viele Tropenkrankheiten unterliegen komplexen<br />

Zyklen, brauchen zur Übertragung <strong>ein</strong>en<br />

Zwischenwirt, oft lästige, winzige, aber gerade<br />

deshalb niemals zu unterschätzende Insekten.<br />

Infizierte Moskitos, Sandfliegen, Flöhe <strong>und</strong><br />

Zecken übertragen mit ihrem blutsaugenden<br />

Stich oder Biss jene Bakterien, Parasiten,<br />

Einzeller, Wechseltierchen oder Viren, die uns<br />

ganz schnell stilllegen können, oder gar<br />

umbringen. Mit der Entdeckung des Penicillins<br />

1928 durch Alexander Fleming <strong>und</strong> den heutigen<br />

Antibiotika gibt es zwar heute wirksame Waffen<br />

gegen die Bakterien. Doch gegen Viren existiert<br />

bis heute nichts Vergleichbares.<br />

Neben den sozusagen gängigen<br />

Tropenkrankheiten trifft man nicht nur in<br />

Brasiliens Norden bis heute auf uralte Leiden,<br />

wirkliche Geiseln der Menschheit: Tuberkulose,<br />

leider wieder auf dem Vormarsch, alle Typen von<br />

Hepatitis <strong>und</strong> die schreckliche Hansenasia, Lepra.<br />

Auf unvorsichtig unglückliche Abenteuertouristen<br />

lauern auch die typischen tropischen<br />

Krankheiten Leishmaniose, Schistosomiasis <strong>und</strong><br />

die Doença de Chagas. Armeleute-Krankheiten,<br />

bis heute wenig erforscht – wie soll man auch<br />

mit den Armen die in die Medikamentenforschung<br />

investierten Milliarden wieder her<strong>ein</strong><br />

verdienen. Zudem werden solche Arme-Leute-<br />

Krankheiten bei Touristen oft nicht oder nur sehr<br />

spät diagnostiziert. K<strong>ein</strong> Arzt vermutet sie<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 439

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