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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Öle <strong>und</strong> Harze mit w<strong>und</strong>ersamen Kräften<br />

Jeder Tourist, der nach Belém kommt, drängt sich<br />

hier durch. Beléms zentrale Markthalle ist <strong>ein</strong><br />

Magnet. Wer sich den Reichtum des Regenwaldes<br />

sozusagen mit allen Sinnen aneignen will, dem sei<br />

<strong>ein</strong> Besuch auf dem „Ver-o-peso“ empfohlen. Die<br />

aus England importierte Eisenkonstruktion wurde<br />

1901, mitten im Kautschukboom errichtet. Der<br />

Name „Ver-o-peso“ (Sieh das Gewicht) stammt<br />

allerdings aus der Kolonialzeit, denn hier wurden<br />

alle <strong>ein</strong>geschifften Waren, um diese Zeit natürlich<br />

vor allem Kautschukballen, gewogen. Im Zollhaus<br />

„Haver-o-peso“ wurden dann die Steuern<br />

erhoben.<br />

Die Marktstände stehen eng. Wie jeder<br />

brasilianische Markt hat auch der «Ver-o-peso»<br />

<strong>ein</strong>e geheimnisvolle Sektion traditioneller<br />

Kräutermedizin. Und diese hier kann sich sehen<br />

lassen. Lockt mit bunten Farben, Magie <strong>und</strong><br />

jenem Zauber, dem kaum <strong>ein</strong>er widersteht, auch<br />

wenn er eigentlich auf harter Schulmedizin steht.<br />

Hier mischt sich überliefertes Kräuterwissen mit<br />

Aberglauben <strong>und</strong> <strong>ein</strong>er tüchtigen Portion<br />

Unerklärlichem, die, neueste Forschungen<br />

bekräftigen das, durchaus ihren Anteil an der<br />

Heilung haben. Hier verkaufen bauernschlaue<br />

Verkäufer <strong>und</strong> Verkäuferinnen, sie verkörpern<br />

<strong>ein</strong>e be<strong>ein</strong>druckende Mischung aus<br />

Kräuterdoktor, Heilk<strong>und</strong>igem, halb Medizinmann,<br />

halb W<strong>und</strong>erheiler, lavieren dabei hart am<br />

Scharlatan vorbei, ihre W<strong>und</strong>ermittel. In diesen<br />

paar Gassen des Marktes gibt es alles: Tinkturen,<br />

Wässer, Absude, Salben, Öle, frische <strong>und</strong><br />

getrocknete Pflanzen <strong>und</strong> was weiß ich noch mehr.<br />

Die Präparate sind in Flaschen verschiedenen<br />

Größen abgefüllt, nur das Etikett enthüllt, wofür<br />

sie alles gut sind. Malerisch mit Baumwollfaden<br />

am Flaschenhals aufgehängt, sind sie die beste<br />

Werbung, nach dem Motto, je mehr, desto besser.<br />

Auch das Angebot des verschmitzt aussehenden<br />

Händlers, bei dem wir stehen bleiben ist bunt<br />

gemischt. Er verkauft sowohl frische als auch<br />

getrocknete Kräuter, Knochen, Teile von Tieren,<br />

daneben auch magische <strong>und</strong> heilkräftige Amulette,<br />

Räucherstäbchen, Seifen, Parfüms <strong>und</strong> andere<br />

Ingredienzien, die, je nach Packungsaufschrift, das<br />

Pech verscheuchen <strong>und</strong> das Glück anziehen, <strong>ein</strong>en<br />

Mann auf sich aufmerksam machen oder K<strong>und</strong>en<br />

herbeilocken. Wir wollen <strong>ein</strong>e «Pomada<br />

Milagrosa», <strong>ein</strong>e w<strong>und</strong>ersame Pomade, die ihre<br />

w<strong>und</strong>ersame Heilwirkung bei W<strong>und</strong>en schon mehr<br />

als <strong>ein</strong>mal bewiesen hat. Endlich hat er sie<br />

gef<strong>und</strong>en. K<strong>ein</strong> Produkt trägt <strong>ein</strong> Preisschild. Der<br />

Preis wird auf die Kaufkraft des Käufers<br />

abgestimmt.<br />

Der Händler zeigt uns dann <strong>ein</strong>e trübe, recycelte<br />

Limonadenflasche. Sie ist mit rotem Siegellack<br />

verschlossen. Ihr Inhalt ist dickflüssig, schimmert<br />

rötlich. Es ist Andiroba-Öl. Ihm werden die<br />

verschiedensten Heilkräfte zugeschrieben. Wenn<br />

ich dem Verkäufer glauben soll, kann man damit<br />

nicht nur Rheuma kurieren, Insekten<br />

verscheuchen <strong>und</strong> ihre Bisse zum Abklingen<br />

bringen, sondern sogar Krebs heilen <strong>und</strong><br />

andere W<strong>und</strong>er bewirken. – Be<strong>ein</strong>druckend. Als<br />

ich dann allerdings den etwas verwesten, strengen<br />

Geruch des Öls wahrnehme, schrecke ich vor <strong>ein</strong>er<br />

generelleren Anwendung, gar intern! doch etwas<br />

zurück.<br />

Die Indigene Bevölkerung benutzen Andiroba-Öl<br />

seit präkolumbianischen Zeiten. Einige Stämme<br />

verwenden Andiroba, vermischt mit dem roten<br />

Pflanzen-Farbstoff Urucum, um sich gegenseitig<br />

die Körper kunstvoll zu bemalen. Sie wissen auch,<br />

dass Andiroba kl<strong>ein</strong>e W<strong>und</strong>en heilen kann <strong>und</strong><br />

insektenabweisend wirkt. Zu Hause lerne ich mehr<br />

über die bewegte Geschichte des Andirobabaumes.<br />

Sie sch<strong>ein</strong>t mir sehr typisch, <strong>ein</strong> Beispiel<br />

dafür, was mit anderen Produkten aus dem<br />

Regenwald passiert ist <strong>und</strong> bis heute passiert: Das<br />

Holz des Andirobabaumes, aus derselben Familie<br />

wie das Mahagoni, war <strong>und</strong> ist sehr gesucht <strong>und</strong><br />

wird wegen s<strong>ein</strong>er Härte <strong>und</strong> der Resistenz gegen<br />

Insektenbefall oft für den Bau von Häusern <strong>und</strong> bei<br />

der Konstruktion von Schiffen verwendet. Was<br />

dazu führt, dass die Bäume immer seltener<br />

werden <strong>und</strong> immer tiefer aus dem jungfräulichen<br />

Wald herausgeholt werden müssen.<br />

Begehrt war aber, bis in die 1950er Jahre, nicht<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 122

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