Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Später kaufe ich auch aktuellere Carimbós, der
absolute Superstar ist Pinduca, der seine Lieder
überaus witzig und schlingelhaft durchpeitscht.
Sehe ihn, ein älterer Herr schon, er geht auf die
80ig zu, trägt aber noch die selben satinen
Hemden mit den Ballonärmeln wie in den
1950ern und den berühmt breitrandigen Hut
voller kleiner „Cuias“.
Der absolute Superstar aber ist Dona Onete,
heute die große Lady des Carimbós. Eine
pensionierte Grundschullehrerin, auch sie schon
weit fortgeschrittenen Alters, nimmt kein Blatt
vor den Mund. In „Feitiço Cabolco“, Caboclos
Zauber gibt sie jenem Mann, der sie betrügt,
misshandelt oder schlimmeres, einfach „Chá de
Tamaquaré”, Tee aus “Tamaquaré”, einer
Eidechse, getrocknet und zu Pulver verarbeitet.
Das mache ihn so zahm und doof, dass er ihr aus
der Hand fresse. Ob eigene Erfahrung daraus
spricht? Spät, erst nach einer Scheidung und
schon in Rente begann sie endlich ihre eigene
Musik zu komponieren und zu singen. Keine
schlägt sie, wenn es um witzige oder auch
traurig-sehnsüchtige Texte zu überaus
einschlägiger Musik geht.
Wunderbar ihre Musik vom nichtsnutzigen
„Urubu Malandro“, dem Tu-nicht-gut-Aasgeier,
der einen Ausflug nach Marajó machte und es
dort einfach nur stinklangweilig findet. Wirft sich,
zurück in Belém, genüsslich ins schlimmste
Gewimmel voller Pitiu (Fischgestank). Balgt sich
mit allen anderen um übrig gebliebenes Gedärm,
mit dem einen Flügel die Balance haltend, mit dem
anderen sich verteidigend. Nicht mal die „Garça
Namoradeira“, das flitterhafte Reiherfräulein,
kann ihn abhalten.
Traurig-weise wird die Musik Dona Onetes dann,
wenn sie ihr Herz zu einem „Brechó“, einem
Second-Hand-Laden erklärt. Echt und anrührend
wie Weniges, echter Carimbó eben.
Guitarrada
Die Gitarren sprechen mit drei, vier Stimmen,
lassen die Musik kunstvolle Bögen erklimmen,
finden endlich am Ausgangspunkt wieder
zusammen, um sogleich zu einer noch
komplexeren Schleife durchzustarten.
Die lokale Musik, “Guitarrada” genannt, ist das
anspruchsvolle Pendant zum Carimbó. Auch sie
ist im Staat Pará geboren, inspiriert sich am
amazonischen und karibenischen Rhythmen,
eine Fusion des brasilianischen Choro mit
Merengue, Mambo, Bolero und natürlich der
Lambada. Es war Mestre Vieira, der den
instrumentalen Genre kreierte, nachdem er in
den 1970er Jahren die elektrische Gitarre
entdeckte.
Heute ist der Altmeister Sebastião Tapajós einer
der bekanntesten Guitarrada-Spieler und
Komponist. Meisterlich steigen seine
Melodienbögen auf und runter, alles im
mitreißenden Rhythmus einer Guitarrada.
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