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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Noch gehen wir. Jedes Fest der Heiligen steht<br />

unter <strong>ein</strong>em Motto. Dieses Jahr ist es die<br />

Ökologie. Man habe für den Círio nicht wie sonst<br />

Petflaschen mit Kerzen auf dem nächtlichen Fluss<br />

freigesetzt, sondern alles aus natürlichen<br />

Materialien hergestellt. Klar - die heutige<br />

Prozession hat das Motto: Der liebevolle Umgang<br />

mit Flüssen <strong>und</strong> Seen. Die Heiligenfigur wird auf<br />

<strong>ein</strong>em mit vielen Blumen dekorierten Wagen<br />

mitgeführt. Ein paar Kinder tragen <strong>ein</strong>e Tafel mit<br />

oben erwähnten Motto. Noch <strong>ein</strong> paar<br />

Ministranten hergerichtet <strong>und</strong> schon formt sich<br />

der Zug. Er besteht zur Mehrzahl aus Frauen.<br />

Manche tragen <strong>ein</strong>e Kerze in den Händen, <strong>ein</strong>e<br />

<strong>ein</strong>en Korb mit <strong>ein</strong>er Heiligenfigur. Schon fällt die<br />

Sonne hinter den Horizont <strong>und</strong> wir setzen uns in<br />

Bewegung. An Zuschauern, die stille stehen <strong>und</strong><br />

dem Zug nachsehen fehlt es nicht.<br />

Die Straße vor der Kirche ist wie die ersten paar,<br />

die wir begehen, zwar sehr breit aber staubig. Die<br />

bräunliche Erde ist längst festgetreten <strong>und</strong> –<br />

gefahren, aber der Staub, f<strong>ein</strong> wie Mehl, ist<br />

überall, sicher auch in allen Ritzen der <strong>ein</strong>fachen<br />

Holzhäuser, die die Straße säumen. Dazwischen<br />

immer wieder <strong>ein</strong> simples Verkaufslokal, alles,<br />

was es zu kaufen gibt, auf vielen Regalbrettern<br />

ausgestellt. Daneben immer wieder <strong>ein</strong>e Bar,<br />

auch sie improvisiert, ewig gleich, alle verkaufen<br />

die selbe Marke Bier.<br />

Der Fußmarsch dauert, erklimmt <strong>ein</strong>ige<br />

Steigungen. Dann erreichen wir die <strong>ein</strong>fachen<br />

Gassen des Dorfkerns. Als wir die zentrale Kirche<br />

betreten, ist sie rappelvoll. Lieblos auf modern<br />

restauriert, oder wie es <strong>ein</strong> Hiesiger ausdrückt: Der<br />

damalige Bischof verstand die Erneuerung der<br />

Kirche vor allem auch ganz praktisch <strong>und</strong> konkret.<br />

Die Predigt ist schön. Wie erholsam, endlich mal<br />

wieder <strong>ein</strong>e traditionelle, normale Ansprache ohne<br />

Heuchelei, Firlefanz, falsch klingender Gitarrenbegleitung<br />

<strong>und</strong> sch<strong>ein</strong>heiliger Beteiligung der<br />

Gem<strong>ein</strong>de zu sehen. Fühle mich vom Glauben der<br />

Leute mitgetragen, echter Glauben, der ganz von<br />

Innen kommt.<br />

Tribut an die Kirche <strong>und</strong> die Heilige gezollt, nun<br />

geht es schräg über dem Kirchenplatz, zum<br />

Clipper. Die Attraktionen, nicht nur das Essen, sind<br />

alle hausgemacht, oder besser lokal, sind eher<br />

schwach. Auch mit der live Übertragung auf <strong>ein</strong>en<br />

riesigen Bildschirm werden sie nicht besser. Die<br />

lokale Kinderballettschule, ich habe ihnen heute<br />

beim Training auf dem freien Platz zugesehen, tritt<br />

nicht auf, dafür aber <strong>ein</strong> ziemlich missgestimmtes<br />

Jugendorchester. Da war ja die Blaskapelle, die<br />

heute im Freien marschieren <strong>und</strong> blasen trainiert<br />

hat, noch besser.<br />

Was soll´s. Bald schon kommt die Versteigerung<br />

<strong>und</strong> das Bingo. Zudem haben dann die meisten<br />

schon <strong>ein</strong> paar Biere getrunken <strong>und</strong> so steht der<br />

gehobenen Stimmung, Stant´Ana sei Dank, gar<br />

nichts mehr im Wege. Ach, wer denn heute die<br />

Nachspeise gespendet habe? Ja, die seien sicher<br />

gut. Bringen Sie doch mal drei Portionen davon.<br />

Unterdessen ist die ganze Familie <strong>ein</strong>getrudelt.<br />

Auch die immer etwas sauertöpfische<br />

Hausangestellte ist mit dabei. Merke, dass sich<br />

alle nicht nur geduscht <strong>und</strong> die Haare gewaschen<br />

haben, sondern auch in Schale gestürzt. K<strong>ein</strong>e<br />

enganliegenden Shorts <strong>und</strong> winzige Blüschen. Ein<br />

schickes Kleid auch für die Hausangestellte, die<br />

darin w<strong>und</strong>erhübsch aussieht mit ihren so<br />

ausgeprägten indigenen Zügen. Nun fehlt nichts<br />

mehr, damit <strong>ein</strong> ganz normaler Mittwochabend<br />

zum Fest wird, zum Fest Sant’Anas natürlich.<br />

*Sant’Ana, die Mutter Marias, wird in Brasilien<br />

normalerweise mit <strong>ein</strong>em Buch <strong>und</strong> in Begleitung<br />

des Kindes Maria dargestellt. Ihr ins Buch<br />

gestreckte Zeigefinger zeigt, dass sie gerade<br />

dabei ist, Maria das Lesen zu lehren.<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 947

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