18.05.2018 Aufrufe

Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Nachhaltigkeit já, aber wie?<br />

Nachhaltigkeit ist in aller M<strong>und</strong>e. Besonders,<br />

wenn es den Amazonas betrifft. Sie wird unisono<br />

von allen, die über den Amazonas nachdenken,<br />

als der Schlüssel zur Lösung des Problems<br />

gesehen. In der Theorie. Denn die Praxis hinkt<br />

ziemlich hinterher.<br />

Der Kaufmann Carlos H<strong>ein</strong>rich Filho aus São Paulo<br />

arbeitet <strong>und</strong> handelt seit 20 Jahren mit Pflanzen<br />

des Amazonas. Er ist vom wachsenden Interesse<br />

Brasiliens an s<strong>ein</strong>en eigenen, natürlichen<br />

Ressourcen überzeugt. Für ihn ist die<br />

„Unterentwicklung” <strong>Amazonien</strong>s eng mit<br />

fehlendem Interesse, traditioneller<br />

Bequemlichkeit <strong>und</strong> mangelnder Infrastruktur<br />

verb<strong>und</strong>en.<br />

Vielleicht fehle es auch <strong>ein</strong>fach an <strong>ein</strong>er<br />

umfassenderen <strong>und</strong> weitblickenderen Planung<br />

<strong>und</strong> Organisation. Bis heute sei die brasilianische<br />

Mentalität mehr am kurzfristigen Nutzen als an<br />

langfristigem Engagement <strong>und</strong> langjährigen<br />

Investitionen orientiert. Damit bezieht er sich auf<br />

den bis vor kurzem politischen <strong>und</strong> ökonomischen<br />

sehr unstabilen Zustand s<strong>ein</strong>es Landes. Das halte<br />

halt viel seriöse in- <strong>und</strong> ausländische Investoren<br />

ab. Auf der anderen Seite, fährt Senhor Carlos<br />

H<strong>ein</strong>rich Filho fort, kann die Kommerzialisierung<br />

<strong>ein</strong>es Produktes aber erst beginnen, wenn <strong>ein</strong>e<br />

gewisse Regularität <strong>und</strong> Qualität der Produktion<br />

garantiert werden kann. Davon sei man jedoch in<br />

<strong>Amazonien</strong> in allen Bereichen noch weit entfernt.<br />

Stolz erzählt er, dass ihm <strong>und</strong> s<strong>ein</strong>er Firma in Kürze<br />

<strong>ein</strong> riesiger Regierungskredit zugesprochen<br />

werden solle. Mit diesem Kredit wolle er<br />

verschiedene Projekte im Amazonas finanzieren.<br />

Das macht mich neugierig. Was für Projekte<br />

genau? Wird mit anderen Institutionen, mit den<br />

Universitäten, mit internationalen Firmen<br />

zusammenarbeitet? Hat man schon K<strong>und</strong>en, gibt<br />

es <strong>ein</strong>en Markt? Wird man hier in Brasilien<br />

verkaufen oder auch im Ausland? Senhor Carlos:<br />

„Ja, eigentlich, konkret ist noch nichts. Aber, ja,<br />

wissen Sie, viele Ideen sind erst am Entstehen, <strong>und</strong><br />

mit der Zeit wachsen neue; wenn das Geld erst<br />

<strong>ein</strong>mal da ist, werden wir mit praktischen<br />

Projekten beginnen.“ Im Moment stecke man<br />

allerdings noch in den Vorbereitungen, bei den<br />

Abklärungen. - Die Schweizerin lernt: In Brasilien<br />

werden die Dinge sehr pragmatisch angegangen<br />

<strong>und</strong> oft wird erwartet, dass sich alles von oben<br />

reguliert <strong>und</strong> fügt.<br />

Fakt ist, dass <strong>Amazonien</strong>, geprägt von drei<strong>ein</strong>halb<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte portugiesischer Kolonisation, damit<br />

bis zur Mitte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>ein</strong>schneidenden<br />

Veränderungen in ökonomischer, sozialer,<br />

kultureller <strong>und</strong> ökologischer Hinsicht unterlag.<br />

Damit nicht genug, bis vor kurzen favorisierten die<br />

brasilinternen Projekte zur lokalen Entwicklung in<br />

<strong>ein</strong>em frenetischen Rhythmus die Ausweitung <strong>und</strong><br />

Verlagerung der letzten Grenzen der Zivilisation<br />

immer tiefer in den Regenwald hin<strong>ein</strong>, nahmen<br />

die Region immer mehr in Besitz. Ab 1950<br />

wurden tiefe Schneisen in den Tropischen Wald<br />

geschlagen, Belém-Brasília, Transamazônica <strong>und</strong><br />

Cuiabá-Santarém, Brasíia-Porto Velho, auf denen<br />

immer mehr interbrasilianische Migranten auf<br />

der Suche nach <strong>ein</strong>em besseren Leben in den<br />

Wald flossen. Die Achse der Ausbeutung,<br />

traditionellerweise auf den Amazonas <strong>und</strong> s<strong>ein</strong>e<br />

Zuflüsse konzentriert, verschob sich. Staaten wie<br />

Tocantins, Süden <strong>und</strong> Südosten des Staates Pará,<br />

Matto Grosso <strong>und</strong> Rhondonia wuchsen, neue<br />

Städte entstanden, neue Demarkationslinien<br />

frassen sich tief in den Wald hin<strong>ein</strong>.<br />

Es herrscht heute Konsens, dass dieser Prozess<br />

oft gewaltsam vor sich ging. Es handelt sich um<br />

<strong>ein</strong>e Art wilder Norden. Wer die sozialen<br />

Indikatoren genau betrachtet, kann den heutigen<br />

Amazonas auch <strong>ein</strong>e Art tropische, unendlich<br />

riesige Favela ansehen. Wer <strong>ein</strong> gutes<br />

Einkommen hat, ist Staatsangestellter. Bis heute<br />

konzentriert sich der Besitz. Wenige besitzen<br />

viel. Bis heute wird öffentliches Land auch in den<br />

Städten illegal besetzt. Posseiros, Leute, die<br />

illegal <strong>ein</strong> Stück Land für sich in Anspruch<br />

nehmen, Holzschläger <strong>und</strong> -händler, Grilheiros,<br />

Lokalpolitiker, Spekulanten <strong>und</strong><br />

Großgr<strong>und</strong>besitzer wollen alle das selbe, alle<br />

wollen die selben Gr<strong>und</strong>stücke, die k<strong>ein</strong>en<br />

sichtbaren Besitzer haben, besetzten, ausbeuten,<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 126

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!