Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

grob ausgestanzten Geflechte, durch die kaum ein
Lichtstrahl dringt. Das Versteckspiel gewinnt
das Dunkel, die Schatten. Oft sind sie, da, hoch
oben, von robust aggressiven Lanzen gekrönt
oder noch schlimmer ganz einfach zum Käfig
umgebogen – moderne Diebe scheinen alle einen
Radikalkletterkurs absolviert zu haben.
Laufe Geviert um Geviert ab und alle und alles ist
mannshoch, haushoch vergittert. Eine ganze
Bevölkerung hat sich hinter Gitter gerettet,
verschanzt. Nur die uralte Tante weigert sich,
diese neue, perverse Welt zu verstehen.
Hartnäckig stößt sie immer wieder den
Fensterladen auf. Er geht direkt auf die Straße. Sie
lehnt sich hinaus, wie sie es ein Leben lang
gemacht hat. Bis es dann einem ihrer Betreuer
auffällt und er sie unter Protest, voller
Unverständnis und Unwillen, loseist. Den Laden
schließt, gar mit einem langen Brett von innen
verbarrikadiert. Sie wollte sich doch nur, wie
früher, Beschäftigung lauschiger Nachmittage, das
Kommen und Gehen auf der Straße, heute ja so
gefährlich, ansehen!
Will lieber keine Nagelprobe machen, wie real die
in Bild und Ton von den niveaulosen
Fernsehprogrammen und bluttriefenden
Lokalblättern dargestellte verheerte Welt voller
Schlechtigkeiten wirklich ist. Drehe, was für eine
lächerliche Rache, den Spieß um! Beginne die
absurdesten Gitter zu sammeln. Da sind mal die als
Gesamtpaket in Auftrag gegebenen: Eisen für
Fenster, Türen und natürlich, falls vorhanden,
auch für die Balkone. Sozusagen als Dreingabe
einen Tisch und mehrere Stühle oder Bänke im
selben Muster, so eisern wie unbequem, fast
wette ich, dass sie noch nie jemand benutzt hat.
Surrealer nur die Sitzbank mitten auf dem
belebten Bürgersteig, sicher hochwillkommen bei
einer akuten Herzattacke oder plötzlicher
Atemnot. Sitze und Rückenlehne wiederholen das
unbeholfen grobe Muster der zugepflastert,
Pardon zugegitterten Fenster.
Schlimmer nur das Haus oder wohl besser eine Art
Aufbewahrungsraum, in einem Außenquartier von
Manaus. Gleich neben das einzige, der Straße
zugewandte Fenster hat der aufmerksame Maurer
die ach so dekorative Kiste der Klimaanlage
platziert. Hinterlistige Dinger, die plopp, nichts
ahnende im Vorbeigehen mit dicken, ekligen
Tropfen Kondenswasser taufen, am liebsten
mitten auf den frisch gewaschenen Scheitel. Vor
das, wie oben bemerkt einzige Fenster hat er, auf
einem Vorsprung abgestützt, eine Doppellinie
dicker, vorfabrizierter Betonsäulen gepfercht. So
eng und so düster gedrängt, dass es ja keinem
Sonnenstrahl einfalle, sich vorwitzig ins Innere zu
trauen!
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