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Amazonien - ein Foto- und Lesebuch - Susanne Gerber-Barata

Foto- und Lesebuch über den brasilianischen Amazonas

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Der verspeiste Panther<br />

Mensch, war die zäh! Hat überhaupt nicht<br />

geschmeckt!“ - Sie war nicht weniger als <strong>ein</strong>e<br />

w<strong>und</strong>erschöne, gefürchtete „Onça“, <strong>ein</strong>e wilde,<br />

furchterregende Raubkatze, <strong>ein</strong> brasilianischer<br />

Panther. Wer am bestens gedeckten Tisch im<br />

leichtesten Gesprächston von diesem Blutopfer<br />

berichtet, ist k<strong>ein</strong> primitiver oder <strong>ein</strong>facher Mann.<br />

N<strong>ein</strong>, er ist <strong>ein</strong> reicher Großgr<strong>und</strong>besitzer <strong>und</strong><br />

Viehhalter. Er ist, um <strong>ein</strong>en lokalen Begriff zu<br />

benutzen, <strong>ein</strong> „instruierter“ Männer, aber nicht<br />

weniger Macho, als die anderen Machos, die die<br />

reale Realität des endlos weiten Amazonasdschungels<br />

leben.<br />

Die ach so clevere Raubkatze dachte, dass der<br />

Farmer s<strong>ein</strong> Vieh ganz all<strong>ein</strong> für sie hielte. Dass es<br />

ihm sicher nichts ausmachte, wenn sie <strong>ein</strong> oder<br />

zwei Tiere riss, wie es ihre Instinkte forderten.<br />

Instinkt gegen Instinkt - „Mensch, hatte ich <strong>ein</strong>e<br />

Wut auf sie! Befahl, sie zu fangen, zu töten <strong>und</strong><br />

aus ihr Ragout zu kochen!“ So starb das edle Tier<br />

als primitives, amazonisches Blutopfer. Das<br />

Verspeisen als <strong>ein</strong>en Akt der totalen Dominanz. Es<br />

reicht nicht, s<strong>ein</strong>en F<strong>ein</strong>d zu fangen <strong>und</strong> zu töten.<br />

N<strong>ein</strong>, auch gleich <strong>ein</strong>verleibt musste er werden.<br />

Nur so konnte die Wut gesühnt werden. Als ob es<br />

nur so gelänge, wirklich mit diesem F<strong>ein</strong>d fertig zu<br />

werden, endgültig <strong>und</strong> definitiv, ihn sozusagen<br />

von der Oberfläche der Erde zu tilgen.<br />

Unterschwellig schwingt bei dieser blutigen Art<br />

des Sieges sicher auch mit, dass der Sieger sich,<br />

zusammen mit dem Fleisch des Panthers, auch<br />

dessen Kräfte <strong>ein</strong>verleibte. Sie gingen mit dem Akt<br />

sozusagen auf ihn über. Einzelne Indigene Stämme<br />

verfahren bis heute so.<br />

Und trotzdem bleibt es beim kläglichen Versuch,<br />

<strong>ein</strong>e mögliche Erklärung zu finden, für das<br />

biblische Auge um Auge, Zahn um Zahn! - Arme<br />

Raubkatze! Versteigt sich der elegante Räuber, im<br />

Prinzip hochgeachtet, sehr gefürchtet <strong>und</strong> so sehr<br />

respektiert, dass es an Mythos grenzt, doch dazu,<br />

das Vieh des übermächtigen Fazendeiros zu<br />

reißen! Welcher sich, gleichzeitig überlegen <strong>und</strong><br />

herausgefordert fühlt, vielleicht nähme s<strong>ein</strong>e<br />

Männlichkeit Schaden oder gar, wer weiß,<br />

schwände s<strong>ein</strong>e Macht, wenn er sie nicht töten<br />

ließe.<br />

Aber nicht nur vom verspiesenen Panthern weiß<br />

ich zu berichten. Das selbe schreckliche Schicksal<br />

erreichte auch andere, noch unschuldigere Tiere,<br />

<strong>ein</strong>en Aasgeier, <strong>ein</strong>en „Urubú“, <strong>und</strong> auch <strong>ein</strong>e ganz<br />

gewöhnliche Hauskatze. Wer traute schon solch<br />

sch<strong>ein</strong>bar harmlosen, friedlichen Tieren, die so<br />

sorglos mit den Menschen zusammenleben zu,<br />

solche ungeheure Wellen von Hass <strong>und</strong> Wut<br />

auszulösen? Den Aasgeier mit s<strong>ein</strong>em majestätischen<br />

Flug vielleicht ausgenommen? Wellen, die<br />

nur mit <strong>ein</strong>em anderen bluttriefenden, brutalen<br />

Akt, dem Aufessen, vergelten werden können?<br />

Aber beginnen wir beim Anfang. Der Chef <strong>ein</strong>er<br />

Gruppe von Waldrodearbeitern, mitten in <strong>ein</strong>em<br />

unwirtlich unbekannten Sertão, dem Hinterland,<br />

irgendwo im endlosen Nirgendwo, weit ab, noch<br />

mit wenigen gerodeten Flecken, da, wo man die<br />

reale Realität des Landesinnern des Amazonas<br />

lebt, gibt es Fazendas, die, wie man lässig hören<br />

kann, nicht sehr abgeschieden liegen, nur <strong>ein</strong><br />

paar Tagreisen weit (!) mit dem Boot. Da, wo<br />

alles gigantisch ist, wild, böse <strong>und</strong> endlos fern,<br />

fern ab von allem. Da, wo es vor allem Wasser<br />

<strong>und</strong> noch mehr Wasser gibt, <strong>und</strong> die Boote oder<br />

Linienschiffe, immer hoch über die erlaubte<br />

Kapazität hinaus vollgeladen, das übliche<br />

Transportmittel sind. Es gibt auch das Flugzeug.<br />

Es landet zweimal pro Woche auf schlecht<br />

geräumten <strong>und</strong> signalisierten Landepisten, auch<br />

mal voller „Urubus“. Jemand hat mal wieder die<br />

Piste als Abfallhalde missbraucht.<br />

Da sind Männer noch Männer, Machos, so richtig<br />

böse, männlich <strong>und</strong> wild. So männlich, wie es<br />

nicht mal der am weitesten gefasste Wortsinn<br />

auszudrücken vermag. Ein urbrasilianischer<br />

Wilder Westen, ohne Zweifel <strong>ein</strong> anderer Planet,<br />

voller unerwarteter <strong>und</strong> unberechenbarer<br />

Gefahren, mit eigenen Regeln <strong>und</strong> <strong>ein</strong>er sehr<br />

eigenwilligen Logik. Die Größe der Fazenda, des<br />

Gr<strong>und</strong>besitzes, illustriert, dass man zu Pferd (!)<br />

gut <strong>ein</strong>en ganzen Tag, (!) brauchte, um vom<br />

<strong>ein</strong>en Ende der Fazenda bis zum Haupt<strong>ein</strong>gang<br />

<strong>Amazonien</strong>, <strong>ein</strong> <strong>Foto</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lesebuch</strong> - <strong>Susanne</strong> <strong>Gerber</strong>-<strong>Barata</strong> 774

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